- 245 —
angesehene Protestanten starben auf dem Blutgerüst. Diese Strenge
und der Verlust von Calais (s. S. 239) entfremdeten der Königin die
Gemüter des Volkes. Ihre Nachfolgerin
Elisabeth (1558—1603), die Tochter der Anna Boleyn, hatte
in ihrer Jugend mannigfache Schicksale erlebt und sogar eine Zeit-
lang im Tower gefangen gesessen. Jedoch hatte sie eine gute wissen-
schaftliche Ausbildung genossen; sie war selbst im Lateinischen und Grie¬
chischen so wohl bewandert, daß sie mit Vorliebe die alten Klassiker las.
Schon die Wahl ihrer Räte, des William Cecil und des Nicolaus
Bacon. ließ erwarten, daß sie das durch Marias Regierung unter-
brochene Reformationswerk wieder aufnehmen werde. Nach einigem
Schwanken nahm sie auch wirklich eine entschiedene Stellung zu Gunsten
der Protestanten, zumal von den Katholiken die Rechtmäßigkeit ihrer
Thronfolge beanstandet wurde. Die Hauptsätze des Glaubens wurden
nun durch eine Versammlung von Geistlichen in 39 Artikeln zusammen¬
gefaßt. in denen die Messe, die Beichte und der Cölibat für aufgehoben
erklärt und die Königin als kirchliches Oberhaupt anerkannt wurde. Die
Anhänger dieser Kirche nannten sich, weil die Oberleitung derselben
Bischöfen anvertraut war. Episkopalen. Ihnen standen als eine nicht
unbedeutende Partei die Presbyterianer gegenüber, welche nach dem
Vorgange des Calvinismus selbstgewählte Älteste an die Spitze der Kirchen-
leitung stellten. Von diesen schieden sich später die Puritaner, welche
eine Gleichberechtigung der Gemeindeglieder anerkannten und fast alle
kirchlichen Ceremonien verwarfen, und die Jndependenten. welche keine
geschlossene kirchliche Gemeinschaft anerkannten und für jede kirchliche
Gemeinde Unabhängigkeit verlangten. In politischen Dingen zeigten die
Puritaner und Jndependenten eine Hinneigung zur republikanischen Staats-
form. — Alle Geistlichen, welche den Suprematseid verweigerten, wurden
ihrer Stellen entsetzt, und Katholiken wie Presbyterianer hatten den
Druck der Regierung zu erfahren.
a) Elisabeth und Maria Stuart. In ihrer Verwandten
Maria Stuart sah Elisabeth ihre gefährlichste Nebenbuhlerin. Diese
war die Urenkelin des englischen Königs Heinrich VII. und die Tochter
des schottischen Königs Jakob V. und aus dem durch sein Unglück
gleich den griechischen Pelopiden berühmt gewordenen Hause Stuart ent-
sprossen. In ihrer Jugend wurde sie an den französischen Hof geschickt,
da ihre Mutter aus dem Geschlechte der Guisen stammte. Hier ver-
mahlte sie sich mit dem französischen Dauphin nnd späteren König