Full text: Lesebuch für die katholischen Wiederholungsschulen Österreichs

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die laͤngste Zeit uuss Blaue hineingafft, meint, weil er keinen Vo— 
gel fieht, es ist ein Engel, der singt; denn die Engel haben kei⸗— 
nen Leib. 
Aber es erscheinen noch viele andere Musikanten, die Amsel, 
die Drossel, das Schwarzplattl, die Nachtigall und das Rothkröpfl, 
die spielen einem jeden umsonst auf, braucht niemand für ein 
Stückchen einen Sechser zu zahlen, wie am Kirchtag im Wirtshaus. 
Aber sie spielen nicht für einen allein, sondern für galle, deswegen 
soll auch kein Mensch einen Singvogel fangen und ihn in einen 
Kotter einsperren, als hätte der arme Vogel dem Richter ein Schaf 
gestolen, oder wäre betrunken gewesen und hätte mit dem Schu— 
ster im Wirtshaus gerauft. Das thut aber ein Vogel nicht, er singt 
nur umsonst und reinigt die Obstbaͤume von Würmern; dafür sper⸗ 
ren sie ihn ein in einen Kerker, zwei Hupfer lang und einen breit, 
und den nennen sie ein Vogelhaus. Ein sauberes Haus; der Sing⸗ 
vogel braucht keines, und wenn er ein's braucht, so baut er sich sel⸗ 
ber ein's, aber freilich kein solches, wo er auf drei Sprießeln sein 
Leben lang hin⸗ und herhüpft wie ein Narr. 
Die Stadtleute, die jahraus jahrein in dem Steinhaufen sitzen 
und schwitzen und alle heiligen Zeiten einmal einen Wald oder 
das Frühjahr zu sehen bekommen, die sind freilich zu bedauern, 
und für die ist ein solcher Vogel eine wahre Aufheiterung, da 
kann man nichts dagegen sagen, wenn sie ihn nur gut pflegen; 
denn unser Herrgott ist ja hoͤchst gerecht und hat die Stadtleute 
nicht ausgenommen, als er zu den Singvoͤgeln gesagt hat: „Fliegt 
hin über die ganze Erde und singt den —28 in die Herzen 
aller Menschenkinder.“ — Darum vergesset nie: Man soll kein 
Thier, welches für die Menschen zum Vergnügen erschaffen ist, um— 
noͤthig fangen, geschweige tödten oder mishandeln. 
Aber mit den Musikanten kommen noch andere Gäste, die 
weder geladen noch gerne gesehen sind. Da kommt eine Fliege, 
summt und schnurrt dem Michel um's Ohr herum und setzt sich ihm 
gerad' auf die Nase. Er schüttelt den Kopf, allein sie geht nicht. 
Nun jagt er sie mit der Hand weg, doch sie sagt: Just micht, und 
sitzt schon wieder ohen; ja er kann sie zehnmal wegjagen, es hilft 
nichts, bis er vor Arger ganz blau wird, die Lippen zusammen— 
beißt, den Athem zurückhält, sich nicht rührt und dann die hohle 
Hand schnell bei der Nase vorüberzuckt und fie gefangen hat. Wie
	        
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