§83
Thüringen.
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Naumburger und Merseburger Stiftslanden, den Neustädter Kreis und den
albertiuischen Anteil an dem einstigen Henneberger Erbe mit Schleusingen
und Suhl. Durch alle diese Erwerbungen, von denen nur ein kleiner Teil
an S.-Weimar abgetreten wurde (f. unten), wurde der preußische Anteil
an Thüringen aufs vorteilhafteste abgerundet und mit dem übrigen Preußen
verbunden. Mit den übrigen von Sachsen abgetretenen Landesteilen, soweit
sie nicht, wie Teile der Lausitzen und des Wittenberger Kurkreises, zu
Schlesien oder Brandenburg gezogen wurden, der Altmark und dem Magde-
burger Stiftsgebiete bildet er seitdem die Provinz Sachsen, von deren Provinz
drei Regierungsbezirken Erfurt ganz und Merseburg in seiner westlichen Hälfte Sachsen,
(links der Saale) aus thüringischem Gebiete besteht.
Für die Zukunft Thüringens wurde diese Entwicklung von größter Be- Bedeutung,
deutung. Denn indem feine Bewohner zu einem großen Teile Bürger des
wichtigsten deutschen Staates geworden waren, wurden sie und mit ihnen
der ganze thüringische Stamm wieder aufs engste mit dem politischen und
wirtschaftlichen Gesamtleben der Nation verknüpft, dem sie durch die einzel-
staatliche Absonderung so lange entfremdet gewesen waren. Mit den politisch
unbedeutenden Kleinstaaten blieben zwar auch weiter deren hohe Kultur-
aufgaben bestehen; aber infolge der engeren Berührung mit Preußen traten
jetzt neben sie die großen nationalen Aufgaben und Ziele Deutschlands, deren
Träger Preußen werden sollte, vor allem die der nationalen Einigung. So
ist denn im 19. Jahrhundert an den inneren Arbeiten und Kämpfen Deutsch-
lands, vor allem dem großen Verfassungs- und Einigungswerke, auch
Thüringen hervorragend beteiligt gewesen, ohne daneben die stillere Arbeit
an der Erfüllung feiner Kulturmission zu vergessen. Daneben aber hatte der
Eintritt Preußens in die Reihe der thüringischen Staaten zur Folge, daß die
kleinen Staaten Thüringens gezwungen wurden, sich in wirtschaftlicher Beziehung
enger an den mächtigen Nachbar anzuschließen. Sollte ihr wirtschaftliches
Leben nicht in der Umklammerung Preußens erdrückt werden, so galt es nun-
mehr, jenem in politischer Beziehung die Führung zu überlassen und mit ihm
zusammen ein gesamtthüringisches Wirtschaftsgebiet zu schaffen. Erst allmählich
freilich erkannten die thüringischen Staaten, die bisher mehr von Sachsen ab-
hängig gewesen waren, diese Notwendigkeit; am ersten diejenigen, die, wie
Weimar und Gotha, mit einem großen Teile ihres Gebiets an Preußen an-
grenzten oder, wie die beiden Schwarzburgischen Länder mit ihren Unterherr-
schasten, sich ringsum von preußischem Gebiete umschlossen sahen. (Vgl. § 91.
Einen wesentlichen Gebietszuwachs erhielt im Anschlüsse an die Fran-
zosenzeit S.-Weimar-Eisenach. In Anerkennung der militärischen Ver- Erzherzog.-
dienste Karl Augusts im Kampfe gegen Napoleon und wegen seiner ver- ^
wandtschastlichen Beziehungen zu dem Zaren (vgl. § 68, Fußnote! wurde er 'Eisenach"'
zum Großherzog erhoben und erlangte durch einen besonderen Vertrag mit
Preußen eine Vergrößerung seines Landes, die indessen, statt die erwünschte
Abrundnng zu gewähren, dessen Zerrissenheit nur noch vermehrte. Neben
verschiedenen kleineren Stücken kam der 1567 an die Albertiner abgetretene
Neustädter Kreis, von dem indessen Preußen das Amt Ziegenrück behielt,
ferner von dem Fürstentum Erfurt dessen Ostrand, die Herrschaften Blanken-
Hain, Nieder-Kranichfeld und Tautenburg an Weimar; dazu kamen endlich
in der Rhön, wo Weimar schon von der Henneberger Erbteilung her einige
kleinere Gebiete besaß, verschiedene Teile des einstigen Bistums Fulda, das,
1803 säkularisiert, zuletzt zum Großherzogtum Frankfurt gehört hatte und-