Aas Mittelalter.
Erste Periode. Die Zeit der Völkerwanderung und
Staatenbildmtg.
§ 36. Die Völkerwanderung, 375—568.
\. Ursache. Nach dem Übergang vom Wanderleben zu seßhaftem
Ackerbau hatte sich die germanische Bevölkerung rasch vermehrt.
War nun ein Stamm durch starke Nachbarn oder die Ungunst des
Bodens verhindert, sein Gebiet zu erweitern, so mußten in der Fremde
neue Wohnsitze gesucht werden, und ein Teil oder der ganze Stamm
begab sich aus die Wanderung.
2. Die Hunnen23), ein mongolisches Wandervolk aus den Steppen Um
von Hochasien, brachen um das Jahr 375 in Europa ein und gaben 375.
dadurch den Anstoß zu großen Umwälzungen. Sie unterwarfen die Ost¬
goten, vertrieben die Westgoten aus ihren Wohnsitzen und machten
dann die ungarischen Steppen zu ihrem Haupttummelplatz.
3. Die lvestgoten erhielten vom römischen Kaiser Valens Wohn-
sitze im heutigen Bulgarien. Aber die Habgier der römischen Beamten
reizte sie zur Empörung. Sie besiegten in der Schlacht bei Adrianopel
378 den Kaiser, der auf der Flucht ums Leben kam; sein Nachfolger 378.
Theodosius (§ 30, 4) schloß Frieden mit ihnen, aber nach seinem Tode
erneuerte sich der Zwist. Da erhoben die Goten den jungen Alärich
ans den Schild und machten einen Plünderungszug durch Griechenland.
Um Frieden zu haben, ernannte Arkadius den Alarich zum Statthalter
von Jllyrien. Von hier aus fiel er in Italien ein, erschien 408 vor Rom 408.
und hob nur gegen ein ungeheures Lösegeld die Belagerung auf.
Da aber der Vertrag vom Kaiser, der sich in Ravenna aufhielt, verworfen
wurde, kam er zum zweiten- und zum drittenmal und verhängte 410 über 410.
die Millionenstadt eine mehrtägige Plünderung. Dann wandte er sich
nach Unteritalien, starb aber plötzlich zu Cosenza. Die Goten zogen dann
nach dem südlichen Gallien und breiteten später ihre Herrschaft in
Spanien aus (Karte Nr. 5); Südgallien ging an die Franken verloren.
Sie gewöhnten sich mehr und mehr an friedliche Beschäftigungen und
befreundeten sich mit römischer Bildung und römischen Einrichtungen.