Nikolaus Lenau.
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4. Mir auch im Herzen
Blühte vor Zeiten
Schöner denn alle
Blumen der Liebe
Primula veris.
2.
1. Liebliche Blume,
Primula veris!
Holde, dich nenn' ich
Blume des Glaubens.
2. Gläubig dem ersten
Winke "des Himmels
Eilst du entgegen,
Öffnest die Brust ihm.
3. Frühling ist kommen.
Mögen ihn Fröste,
Trübende Nebel
Wieder verhüllen:
4. Blume, du glaubst es,
Daß der ersehnte,
. Göttliche Frühling
Endlich gekommen,
5. Öffnest die Brust ihm;
Aber es dringen
Lauernde Fröste
Tödlich ins Herz dir.
6. Mag es verwelken!
Ging doch der Blume
Gläubige Seele
Nimmer verloren!
Seemorgen.
1. Der Morgen frisch, die Winde gut,
Tie Sonne glüht so helle,
Und brausend geht es durch die Flut!
Wie wandern wir so schnelle!
2. Die Wogen stürzen sich heran,
Doch wie sie auch sich bäumen,
Dem Schiff sich werfend in die Bahn,
In toller Mühe schäumen:
3. Das Schiff, voll froher Wanderlust,
Zieht fort »Hauszuhalten,
Und mächtig wird von seiner Brust
Der Wvgendrang gespalten;
4. Gewirkt von goldner Strahlenhand
Aus dem Gesprüh' der Wogen,
Kommt ihm zur Seit' ein Jrisband
Hellflatternd nachgeflogen.
5. So weit nach Land mein Auge schweift,
Seh' ich die Flut sich dehnen,
Die uferlose; mich ergreift
Ein ungeduldig Sehnen.
6. Daß ich so lang euch meiden muß
Berg, Wiese, Laub und Blüte! —
Da lächelt seinen Morgeugruß
Ein Kind ans der Kajüte.
7. Wo fremd die Luft, das Himmelslicht,
Im kalten Wogen lärme,
Wie wohl thut Menschenangesicht
Mit seiner stillen Wärme!
Schikfkied.
1. Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.
2. Hirsche wandeln dort am Hügel,
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.
3. Weinend muß mein Blick sich senken
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken,
Wie ein stilles Nachtgebet!