Full text: Lehrbuch der Deutschen Geschichte für die oberen Klassen höherer Mädchenschulen

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§ 218. Das Hof- nnd Familienleben des Großen 
Kurfürsten. 
Der Hof befand sich abwechselnd in den verschiedenen Landes¬ 
teilen au Cleve, Berlin oder Potsdam und Königsberg. Den 
Losstaat bildeten zahllose Beamte und Diener, die bet kärglicher 
Besoldung auf die Bewirtung durch ihren Herrn angewiesen 
waren Später, als der Kurfürst die Domänen verpachten ließ, 
wurden feste Geldsummen gewährt. Bei Fanultensesten und Be¬ 
suchen fremder Fürsten oder ausländischer Gesandtschaften wurde 
nach der Sitte der Zeit eine außergewöhnltche Pracht entfaltet. 
Friedrich Wilhelm führte im Gegensatz zu Ludwig XIV. 
und den meisten deutschen Fürsten seiner Zeit ent mäßiges ehr¬ 
bares Leben und gab dadurch dem ganzen Lande etn gutes Bet¬ 
spiel Er war zweimal vermählt. Seine erste Gemahlin Luis e 
Lenriette (1627—1667) war eine Tochter von Friedrich Heinrich, 
dem Erbstatthalter der Niederlande. Die 9Jiittter hielt die sehr 
aebitdete junge Prinzessin an, in der Haushaltung selbst Hand 
anzulegen uud in sonstigen weiblichen Arbeiten sich eme ^oße 
Geschicklichkeit zu erwerben. Zudem besaß sie eme gute D^chter- 
gabe, große Herzensgüte und christlich-frommen Stirn. Als Kur- 
fürstin wohnte sie am liebsten im Schloß Bötzow, spater Dramen- 
bura genannt, wo sie einen großen Nutzgarten anlegte, und auo 
Holland Gärtner und Landwirte verschrieb. Sie war eme vor¬ 
treffliche Wirtin und Rechnerin. Für vierundzwanzig vaterlose 
Kinder richtete sie eine Bersorgungsanstalt ein. Auf Zucht und 
Mäßigkeit wurde bei der Hofhaltung streng gehalten, der wegen 
seiner Trunkenheit verrufene Oberst von Burgsdorf wurde vom 
Hofe entfernt. An den damaligen Zänkereien der Geistlichen hatte 
sie kein Gefallen. Um die Erziehung ihrer Kinder bekümmerte 
sie sich angelegentlich. Trotz ihres zarten Körpers und ihrer mel- 
ach schwächlichen Gesundheit begleitete sie den Kursursten auf 
seinen Reisen; selbst von seinen Kriegszügen blteb sie nicht fern. 
Die treue Anhänglichkeit seiner Gemahlin erwiderte Friedrich 
Wilhelm dadurch, daß er gern mit ihr wichtige Angelegenheiten 
besprach und sie um ihre Meinung fragte. Dabei war Luise klug 
genug, sich nicht vorzudrängen und ihre Ansicht aufzunötigen. 
Der Kurfürst stellte ihr später das ehrende Zeugnis aus, daß sie 
ihm immer gut geraten habe. 
Ein srüher Tod raubte sie ihrem Gemahl und thren dret 
noch lebenden Kindern am 18. Juni 1667. 
In zweiter Ehe war der Kursürst mit Dorothea von Hol¬ 
stein vermählt. Auch an ihr hatte er eilte treue Stutze, doch 
trübte sich bald ihr Verhältnis zu den Stiefkindern so, datz der 
Kurprinz Friedrich den Hof verließ.
	        
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