fullscreen: Grundriß der preußisch-deutschen sozialpolitischen und Volkswirtschafts-Geschichte

Der Kampf für das Deutschtum. 
183 
hülfe, zu der man durch Gründung des „Deutschen Vereins" zur 
Pflege und Kräftigung des Deutschtums griff, tat auch hier das Beste. 
Außer diesen Kämpfen an der Grenze brach im Innern seit 
1679 eine starke Bewegung gegen das Judentum hervor, der Anti¬ 
semitismus. Das jüdische Volk, länger als anderthalb Jahr- 
tausettde unter schwerem Druck gehalten, immer mit Verachtung be¬ 
handelt, oft mit blutiger Verfolgung heimgesucht, erhielt in Deutsch¬ 
land binnen 40 Jahren das Geschenk völliger bürgerlicher Gleich¬ 
berechtigung, ohne hierzu in der kurzen Übergangszeit innerlich ge¬ 
reift zu sein. Trotz vortrefflicher Ausnahmen blieb die Masse der 
Juden in ihren Lebensanschauungen dem deutschen Volke vielfach 
fremd. Mit instinktiver Abneigung gegen die in Deutschland wirk¬ 
samen geschichtlichen Mächte, jedem scheinbaren Fortschritt in seinem 
abstrakten Denken blind ergeben, wie auch die führende Beteiligung 
an der sozialistischen und anarchistischen Bewegung zeigt (Marx, 
Lassalle, Singer, Bernstein, Landauer), der körperlichen Arbeit abhold 
und der gewerblichen Tätigkeit entfremdet, verharrte sie dabei, nur dem 
Gelderwerb nachzugehen und verletzte oft durch pietätloses, vor¬ 
dringliches Wesen. Sie zeigte soviel Geriebenheit, soviel Unred¬ 
lichkeit und Betrug, der oft vom Strafrichter geahndet wurde, oft 
aber unfaßbar blieb, daß der unselige Verdacht entstand, die jüdische 
Religion selbst und unsittliche Lehrbücher seien hieran schuld, und ob¬ 
wohl durch gründliche Untersuchung widerlegt (Erklärung des Kultus¬ 
ministers vom 28/9. 1893), fand dieser Verdacht doch immer wieder 
Nahrung. Statt die Heilung des Unheils, das man in jahrtausende¬ 
langer Mißhandlung angerichtet, der sittlichen Kraft der gesamten 
Volkserziehung zu überlassen, in dem Judentum selbst die bessern 
Elemente zu stärken und es zur Selbsterkenntnis, an der leider sehr 
viel fehlt, zu bringen, stiftete man unter dem verhetzenden Antrieb 
Stöckers eine Partei, die antisemitische, die durch eine fanatische Agi¬ 
tation und Aufreizung der Massen das jüdische Übel um nichts 
besserte, mit argen Ausschreitungen aber den deutschen Namen 
schädigte. Die besseren Parteiführer schämten sich doch des Geistes, den 
sie beschworen hatten. Durch die schmählichsten Verleumdungen 
hochstehender und verdienter Männer wurde das Ansehen der Re¬ 
gierung, durch nichtswürdige Verdächtigung der richterlichen Unpar¬ 
teilichkeit wurde das Vertrauen des Volks zur Rechtsprechung, durch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.