80 Die Zeit der zunehmenden Auflösung des Reichs 1273—1519.
Hafenstraße noch heute den Namen deutsche Brücke trägt, in London,
wo sich die deutschen Kaufleute im Stahlhof zusammenfanden, ihre
Speicher und Kontore hatten und sich selbst Recht sprachen. Damals
lag der gesamte Großhandel von der Newa bis zur Themse und Schelde
in deutschen Händen.
Niedergang Es ist begreiflich, daß sich die nordischen Völker gegen eine solche Macht
er 1 ' der Hanse auflehnten und sie von sich abzuschütteln suchten. Aber erst seit
dem Ende des Mittelalters nahm die Bedeutung des Bundes ab. Damals
begannen die nordischen Staaten, vor allen England, innerlich zu
erstarken. Für den Bestand der Hanse war ferner der Umstand schädlich,
daß eine Reihe von Städten, so z. B. Berlin-Kölln, von ihren Landes¬
herren gezwungen wurden, aus dem Bunde auszutreteu. Dazu kam,
daß ihr der starke Schutz des deutschen Königs fehlte; denn die
Könige jener Zeit waren entweder zu ohnmächtig oder zu sehr mit ihren
eigenen Interessen beschäftigt, als daß sie für das Gedeihen des deutschen
Handels Sinn gehabt hätten. So ist es gekommen, daß die Hanse, obwohl
sie noch lange fortbestand, immer machtloser wurde. Selbst der Ostsee¬
handel kam in späteren Jahrhunderten in die Hände der Holländer
und Engländer; noch viel weniger konnten die deutschen Kaufleute daran
denken, sich an dem Handel nach Amerika und Indien zu beteiligen, wo
andere Völker damals Kolonien gründeten und reichen Gewinn ernteten.
§ 83. Der Staat des deutschen Ritterordens. Zu einer Zeit, wo
im übrigen der Ritterstand im Verfall begriffen war, hat der deutsche
Ritterorden einen Staat aufgerichtet, der ein Jahrhundert hindurch fest
und geschlossen, reich und mächtig dastand; es gelang ihm ein großes Gebiet
an der Ostsee für das Deutschtum und das Christentum zu gewinnen, ein
Gebiet, das später eins der Kernlande für die norddeutsche Großmacht
Preußen werden sollte.
Eroberung Unter Kaiser Friedrich II. hatte der Hochmeister Hermann von
Preußen^. hon einem polnischen Herzog eingeladen, die ersten Deutschritter
zum Kampfe mit den Preußen ausgesandt. Diese lagen mit ihren Gren>-
nachbarn in fortwährendem Kriege; sie waren Heiden, die ihre Götter in
heiligen Hainen verehrten und ihnen Bernsteinfeuer anzündeten. Nun ent¬
standen Ordensburgen im Preußenlande. Nach etwa fünfzigjährigen
Kämpfen war die Eroberung Preußens vollendet, die Urbewohner waren
unterworfen und hörig gemacht. Der Sitz des Hochmeisters wurde die
Blütezeit Marienburg, die heute mit ihren hohen Backsteinmauern und säulen-
Ordens. getragenen Hallen wieder ausgebaut worden ist. Deutsche Städte entstanden