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diese Dichtung zu einem Meisterwerke, freilich der leichtfertigsten Art,
welches der Nachahmer nur zu viele gefunden hat. Mit Wolfram und
Gottfried hatte das Rittergedicht in rascher Blüthe seinen Gipfel er¬
reicht. Unter ihren Zeitgenossen ist noch Hartmann von Aue und
sein legendenartiges Gedicht, der arme Heinrich, zu nennen.
Die folgenden Dichter nahmen großentheils Gottfrieds Manier an,
dessen Heiterkeit und glänzende Darftellungsweise ihnen besser zusagte
als Wolfram's strenger und sinniger Ernst, dessen Tiese und Tüchtigkeit
alsbald von dem heiteren Glanze leichterer Dichtungsarten überwuchert ward
Eine erneuerte Richtung zeigte sich in der Erweiterung der wieder
aufgenommenen heiligen Sagen- und Legendenpoesie. Konrad von
W ü r z b u r g, Verfasser des früher erwähnten Rolandsliedes, welches als
schönste Frucht aus dem Sagenkreis Karl's des Großen hervorging,
Hugo von Langenstein, Rudolf von Ems u. a. m. wandten sich mit be¬
sonderer Vorliebe der biblischen Geschichte zu; nicht minder wurde das
Leben der heilig gesprochenen Päpste, der entsagenden Himmelsbräute,
die in den stillen Klostermauern die Freuden dieser Welt am Fuße des
Altars klagelos zum Opfer bringen, eine unerschöpfliche Quelle für die
Legendendichtung. Auch blieben ausländische Stoffe den deutschen
Dichtern nicht fremd. Die alte Geschichte ward vertreten durch Lam-
precht'sAlexanderlied, durch die Aeneis des Heinrich vonVeldeke und
Herbort's Lied von Troja. Zum Schlüsse mag noch des lieblichen pro-
venyalischen Romans Flor und Blanchflor gedacht werden, welcher sich
vielfach bearbeitet in allen Sprachen und so auch in der deutschen er¬
halten hat.
Auf ein ganz neues Feld der Poesie gelangen wir mit der Er¬
wähnung der romantischen oder vielmehr romanischen Dichtkunst, dem
eigentlichen Minnegesang, dessen Heimath ursprünglich die sonnige Pro¬
vence war. An den Ufern der Garonne und der Rhone, in Toulouse
und Limousin ertönte zuerst der Gesang der Troubadours, von wo aus
er sich über die angrenzenden Länder verbreitete. Die Minnelieder sind
nicht zum Lesen bestimmt, sie müssen gesungen werden. Melodie und
Rhythmus ist ihr charakteristisches Merkzeichen. Sie wurden mit Be¬
gleitung von Saiteninstrumenten vorgetragen, zunächst von dem Dichter
selbst, im glänzenden Kreise edler Frauen, bald auch zum fröhlichen
Reigen. In ihrer klangreichen, vollen Sprache, in ihrer zierlichen Reim¬
fügung ist diese Poesie selbst nichts als Gesang und Musik, dem Lerchen¬
triller und Nachtigallschlag vergleichbar; auch nannten diese Sänger sich
selbst die Nachtigallen.
Ritter, Grafen, Herzöge und Könige selbst schätzten es sich zur Ehre,
in die Zahl der Troubadours oder Minstrels aufgenommen zu sein.
Die ersten und ältesten Troubadours waren der Ritter Bechada und
Graf Wilhelm IX. von Poitou, Theobald. Graf von Champagne und
König von Navarra, Wilhelm von Lorris u. v. A. Es ist bekannt, daß
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