323 
diese Dichtung zu einem Meisterwerke, freilich der leichtfertigsten Art, 
welches der Nachahmer nur zu viele gefunden hat. Mit Wolfram und 
Gottfried hatte das Rittergedicht in rascher Blüthe seinen Gipfel er¬ 
reicht. Unter ihren Zeitgenossen ist noch Hartmann von Aue und 
sein legendenartiges Gedicht, der arme Heinrich, zu nennen. 
Die folgenden Dichter nahmen großentheils Gottfrieds Manier an, 
dessen Heiterkeit und glänzende Darftellungsweise ihnen besser zusagte 
als Wolfram's strenger und sinniger Ernst, dessen Tiese und Tüchtigkeit 
alsbald von dem heiteren Glanze leichterer Dichtungsarten überwuchert ward 
Eine erneuerte Richtung zeigte sich in der Erweiterung der wieder 
aufgenommenen heiligen Sagen- und Legendenpoesie. Konrad von 
W ü r z b u r g, Verfasser des früher erwähnten Rolandsliedes, welches als 
schönste Frucht aus dem Sagenkreis Karl's des Großen hervorging, 
Hugo von Langenstein, Rudolf von Ems u. a. m. wandten sich mit be¬ 
sonderer Vorliebe der biblischen Geschichte zu; nicht minder wurde das 
Leben der heilig gesprochenen Päpste, der entsagenden Himmelsbräute, 
die in den stillen Klostermauern die Freuden dieser Welt am Fuße des 
Altars klagelos zum Opfer bringen, eine unerschöpfliche Quelle für die 
Legendendichtung. Auch blieben ausländische Stoffe den deutschen 
Dichtern nicht fremd. Die alte Geschichte ward vertreten durch Lam- 
precht'sAlexanderlied, durch die Aeneis des Heinrich vonVeldeke und 
Herbort's Lied von Troja. Zum Schlüsse mag noch des lieblichen pro- 
venyalischen Romans Flor und Blanchflor gedacht werden, welcher sich 
vielfach bearbeitet in allen Sprachen und so auch in der deutschen er¬ 
halten hat. 
Auf ein ganz neues Feld der Poesie gelangen wir mit der Er¬ 
wähnung der romantischen oder vielmehr romanischen Dichtkunst, dem 
eigentlichen Minnegesang, dessen Heimath ursprünglich die sonnige Pro¬ 
vence war. An den Ufern der Garonne und der Rhone, in Toulouse 
und Limousin ertönte zuerst der Gesang der Troubadours, von wo aus 
er sich über die angrenzenden Länder verbreitete. Die Minnelieder sind 
nicht zum Lesen bestimmt, sie müssen gesungen werden. Melodie und 
Rhythmus ist ihr charakteristisches Merkzeichen. Sie wurden mit Be¬ 
gleitung von Saiteninstrumenten vorgetragen, zunächst von dem Dichter 
selbst, im glänzenden Kreise edler Frauen, bald auch zum fröhlichen 
Reigen. In ihrer klangreichen, vollen Sprache, in ihrer zierlichen Reim¬ 
fügung ist diese Poesie selbst nichts als Gesang und Musik, dem Lerchen¬ 
triller und Nachtigallschlag vergleichbar; auch nannten diese Sänger sich 
selbst die Nachtigallen. 
Ritter, Grafen, Herzöge und Könige selbst schätzten es sich zur Ehre, 
in die Zahl der Troubadours oder Minstrels aufgenommen zu sein. 
Die ersten und ältesten Troubadours waren der Ritter Bechada und 
Graf Wilhelm IX. von Poitou, Theobald. Graf von Champagne und 
König von Navarra, Wilhelm von Lorris u. v. A. Es ist bekannt, daß 
21*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.