Full text: Geschichte der Neuzeit (Abt. 3)

Deutschland nach dem Kriege. Die Pariser Kommune. 285 
um die Arbeiter ober Proletarier für bie Lehren unb Verheißungen ber 
Socialbemokraten empfänglich zu machen. Zu allem hin bemühen sich • 
ihre Blätter, Rebner und Agenten mit biabolischer List unb Kunst, ben 
armen unb unzufriedenen Menschen ben Glauben an Gott im Himmel, 
an Unsterblichkeit der Menschenseele, an Belohnung unb Strafe in einer 
jenseitigen Welt als ein Werk des „Pfaffentrugs" hinzustellen, dazu 
erfunden, um bas Volk bumm und dienstbar zu machen. Die atheistische 
und materialistische Lehre wurde im vorigen Jahrhundert von sogenannten 
Philosophen verkündet und bereitete in Verbindung mit der materiellen 
Not die erste Reoolution vor; heute wird in Deutschlanb ber Unglaube 
nicht nur in Büchern unb von Kathedern herab gelehrt, sondern es finden 
sich wohl nur wenige Bauerndorfer, in welchen nicht ein junger Mensch 
oder alter Geselle, der sich etwas in der Welt umgeschaut, für den 
Atheismus und Materialismus, zugleich aber auch für bie Revolution 
Propaganda zu machen sucht. Die Kirche aber, welche am besten diesen 
gefährlichen Bestrebungen entgegentreten könnte, ist durch die Kulturkampfs¬ 
gesetze in der freien Entfaltung ihrer Kräfte gehindert. 
Die pariser Kommune (20. Kebruar öis 22. Mai 1871). 
Bei den Friedensunterhandlungen beharrte Bismarck nicht auf ber 
Entwaffnung der Pariser, weil I. Favre um Schonung des empfind- 
lichen Ehrgefühls der Pariser bat; daß diese Bevölkerung nach ben entsetz- 
lichen Schlägen, von welchen Frankreich getroffen war, gegen bie republi¬ 
kanische Regierung revolutionieren werbe, ahnte Favre nicht, obwohl bie 
Nationalgarben mehrmals ben Versuch gemacht hatten, sich der Regierungs¬ 
gewalt zu bemächtigen. Am 20. Februar führten die „Arbeiter" 
27 Geschütze von dem Artilleriepark auf den Wagramplatz in die Vor¬ 
stadt St. Antoine, um „sie vor den Preußen zu retten", und nach der 
am 30. Marz vollzogenen Räumung der Stadt durch die Preußen 
schleppten sie einige hunbert Geschütze auf ben Montmartre, worauf sich 
plötzlich ein (Zentralkomitee ber Nationalgarben aufthat, bas 417 Feuer- 
schlünbe gegen bie Statt richtete, „ba nichts eher herausgegeben werben sollte, 
bis der letzte Preuße aus Frankreich fort und die wahre Republik ge- 
gründet sei". Die Nationalgarden sollten ihre Offiziere frei wählen unb 
ber Mann täglich iy2 Franken erhalten, bis jeher wieber Arbeit und 
Verdienst habe. Diesen Bescheid erhielt General Aurelles, den bie Re¬ 
gierung als Befehlshaber ber Nationalgarbe bezeichnet Hatte. Die National¬ 
versammlung in Bordeaux wollte nicht in der Revolutionsstadt Paris 
tagen und übersiedelte nach Versailles, trotz der Phrasen Louis Blancs 
und anderer Roten. Die Kanonen aus dem Montmartre sahen so unheim¬ 
lich auf die Stadt herab, daß die Regierung dem General Vinoy befahl,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.