fullscreen: Handbuch der deutschen Literatur (Teil 8 der Ausgabe A, Teil 5 d. Ausgabe B, [Schülerband])

38 
Die erste Blütezeit der deutschen Dichtung. 
Auch laßt, wie diese Heldenscharen 
man dort verpflegt, Euch offenbaren. 
Der sie nährt, das ist ein Stein, 
wunderkräftig, edel, rein; 
und habt Ihr ihn noch nicht gekannt, 
so werde hier er Euch genannt: 
Lapi8 herilis. Durch seine Kraft 
verbrennt der Phönir zu Asche sich, 
die aber ihn wieder zum Leben schafft, 
daß so gemausert jugendlich 
mit neuer Kraft er steigt empor 
und schöner glänzend als zuvor. 
Räng' auch ein Mensch in tiefster Pein: 
Am Tag, da er erblickt den Stein, 
und eine Woche nach der Zeit 
bleibt er vom Tode noch befreit. 
Wer stets ihn schaut, dem ändert nicht 
sich Farbe je und Angesicht; 
Mann oder Magd, in Herrlichkeit 
blühn fort sie wie in bester Zeit. 
Sühn sie den Stein zweihundert Jahre, 
doch grauten ihnen nie die Haare. 
Und solche Kraft verleiht der Stein 
dem Menschen, daß ihm Fleisch und 
Bein 
sogleich verjüngt wird, und es heißt 
der Gral der Stein, der dies erweist. 
Nun kommt ihm eine Botschaft heut, 
die ihm die höchste Kraft verleiht. 
Heut ist Karfreitag, jener Tag, 
des sehnend dort man harren mag: 
Da nieder von dem Himmel schwingt 
sich eine Taube, und sie bringt 
eine Oblate, weiß und klein, 
und legt sie auf den heil'gen Stein; 
dann schwebt mit leuchtendem Gefieder 
empor sie zu dem Himmel wieder. 
Immer an diesem hohen Tage 
kehrt sie zurück, und wie ich sage, 
verleiht aufs neue sie dem Stein, 
was Gutes nur an Trank und Speisen 
auf Erden duftet und allein 
die Erd' erzeugt, jedoch zu preisen 
als Paradieses Hochgenuß. 
So gibt der Stein im Überfluß, 
was Wildes unterm Himmel lebt, 
da kreucht und fleucht und läuft und 
schwebt; 
die Pfründe gibt des Grales Kraft 
der ritterlichen Brüderschaft. — 
Der Name derer, die ernannt 
zum Grale sind, wird so bekannt: 
Am Stein auf seines Randes Rund 
zeigt eine Inschrift sich, die Geschlecht 
und Namen derer machet kund, 
die zu der Heilsfahrt sind gerecht, 
es feien Mägdlein oder Knaben. 
Die Schrift ist nimmer abzuschaben, 
doch sobald der Name gelesen ist, 
verschwindet sie zur selb'gen Frist. 
Es kamen alle dahin als Kind, 
die als Erwachsene jetzt dort sind. 
Der Mutter Heil, die dasKind geboren, 
das dort zum Dienst wird hinerkoren! 
Des freuen hoch sich alle gleich, 
wenn, seien arm sie oder reich, 
ihr Kind man heischt aus ihren Händen, 
zu jener Schar es hinzusenden. 
Man fordert sie aus manchem Lande, 
vor sündlich-lästerlicher Schande 
sind immer sie behütet hie, 
und Himmelslohn erwartet sie. 
Dem, der hier scheidet aus dem Leben, 
wird dort des Heiles Wunsch gegeben. 
Es wurden jene Engelscharen, 
die teilnahmslos beim Kampfe waren, 
der gegen den dreiein'gen Herrn 
erhoben ward von Luzifern — 
die hohen, hehren — zu der Erde 
verwiesen, daß der Stein von ihnen 
als Heiligtum gepfleget werde. 
Ob Gott sie gnadenwert erschienen, 
ob abgebüßt sie ihre Schuld, 
ich weiß es nicht: nach seiner Huld 
und Macht doch rief er sie zurück; 
seitdem nun ward der Pflege Glück 
beim Steine denen, welche Gott 
dazu ernannt und hinentbot 
durch seinen Engel. — So, Herr, nun 
wißt, 
wie mit dem Gral bewandt es ist." 
„Wenn,"rief Parzival, „Ritterschaft 
mit Schild und Schwert und Speeres¬ 
kraft 
des Leibes Pnis, der Seele Heil 
erjagen kann als Lohnes Teil, 
so bleib' ich immer ihm geweiht. 
Ich stritt, wo ich zu streiten fand, 
und manchen Preis mit tapfrer Hand
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.