fullscreen: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 
Stadlvieh. Denn auch in den großen Reichsstädten treibt der Bürger 
Landbau; die meisten Häuser haben im Hofraum Viehställe und Schuppen. 
Der Schlag des Dreschflegels wird nach 1350 in Nürnberg, Augsburg, 
Ulm nahe am Rathaus gehört, unweit der Stadtmauern stehen Scheuern 
und Stadel, jedes Haus hat seinen Getreideboden und häufig einen Keller¬ 
raum. Denn der Weinbau wird damals fast in ganz Deutschland versucht. 
Von außen sieht die Stadt aus wie der prächtige Steinpalast eines Riesen¬ 
königs, von dem kleinen Platz innerhalb des Thors wie ein großes Dorf, 
trotz der höheren Häuser. In den Gassen der Stadt traben die Kühe, ein 
Schäfer führt mit seinem Hunde die Schafherde auf die nahen Höhen. 
Die «Schweine fahren durch die Hausthüren in die Häuser und suchen auf 
dem Wege ihre unsaubere Nahrung, große Flüge von Tauben erheben sich 
aus den Gassen, sie sind Lieblinge der Bürger. In den Flußarmen, welche 
durch die Stadt führen, hat das Vieh feine Schwemmen. Da fehlt auch 
der Mist nicht, auf abgelegenen Plätzen lagern große Haufen, und wenn 
die Stadt sich einmal zu einein Kaiserbesuch oder einer großen Messe 
schmückt, dann läßt sie, um säuberlich auszusehen, nicht nur die Gehängten 
vom Galgen nehmen, sondern auch den Dünger von Straßen und Plätzen 
schaffen. 
Die Hauptstraßen der Stadt sind hier und da gepflastert, längs der 
Häuser gingen besondere Steinwege. In Frankfurt wurden die Haupt¬ 
straßen nur durch Holzschwellen, Sand und kleine Steine gebessert; doch muß 
der Weg oft schwierig gewesen sein, denn es gab für die Domherren eine 
gesetzliche Entschuldigung, beim Konvent zu fehlen, wenn der Straßenschmutz 
zu arg war. 
Auf den Straßen sind die Brunnen hänfig, es sind einfache Zieh¬ 
brunnen mit Rolle, Kette und Eimer; wo gutes Wasser fehlt, sind die 
Städte seit ältester Zeit bemüht gewesen, Quellen und Bäche in die Stadt 
zu leiten. Oft haben die Bürger darum große Anstrengungen gemacht; 
denn an reichlichem Wasser hing das Gedeihen der Stadt. Für das Vieh 
und gegen Brandunglück, zum Schutz gegen außen, vor allem aber für 
das städtische Gewerbe war es unentbehrlicher als jetzt. Deshalb wurde 
der Fluß in vielen Armen durch die Stadt und um die Mauer geleitet, 
und gern die Hintere Seite der Höfe an das Wasser geführt. Auf den 
Plätzen der Stadt bei laufenden Brunnen standen Schöpfkrüge von Stein 
und Metall, und an gelegenen Stellen gefüllte Wasserbottiche für den Fall 
einer Feuersgefahr. 
Sehr unähnlich moderner Bauweise sind die Straßen der Stadt, sie 
ziehen sich in der Mehrzahl enge gewunden dahin, die Häuser sind oft klein, 
von Fachwerk gebaut, mit Stroh gedeckt; der Giebel ist der Straße zuge¬ 
kehrt; die Eingänge sind häufig mit einer Halbthür versehen, über der 
Thür hängt ein Schild mit dem gemalten Zeichen des Hauses. Die Häuser¬ 
linie läuft nicht glatt und senkrecht, ein Oberstock oder zwei — die Gadem — 
springen über das untere Stockwerk vor, und daran lind wieder Erker und 
Söller. Diese Überhänge verengen das Licht und nähern die oberen Stock¬ 
werke der gegenüberliegenden Häuser. Zwischen den kleineren Häusern stehen
	        
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