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Ehrenpflicht für alle Staatsbürger ohne Ausnahme. Hiermit hing zu¬
sammen bte Entlassung aller Ausländer und aller Bestraften aus dem
Heere. Der Stock wurde abgeschafft, man suchte die Soldaten durch
Anspornung ihres Ehr-, Pflicht- und Vaterlandsgefühles auszubilden
Da Preußen nur 42000 Manu stehendes Heer halten durfte, so
bildete man diese immer mit der größten Sorgfalt vier Monate lang
aus und entließ sie wieder, um neuen Rekruten Platz zu machen. So
erreichte man die Einübung der ganzen wehrfähigen Mannschaft, unge¬
fähr 150000 Mann. Dazu trat aber noch die Bildung der Landwehr
welche alle Wehrfähigen bis zum 40. Jahre, und der Landsturm, welcher
alle männlichen Landeskinder, die noch nicht Soldaten waren, vom 15
bis 60. Jahre umfaßte. So war Preußens Heer 1813 ein wahrhaftes
Volksheer, ja man kann sagen, das Volk in Waffen. Kurz vor dem
Kriege wurde noch zur Bildung von Korps freiwilliger Jäger, welche
sich selbst ausrüsten mußten, und zum Eintritt in das Lützow'sche Frei¬
korps, welchem die Nichtpreußen zuströmen sollten, aufgefordert.
Preußen hat in den Befreiungskriegen mehr geleistet, als man ihm
zugetraut, England gab Hilfsgelder nur für 80000 Mann, im ganzen
standen aber zur Zeit der Schlacht bei Leipzig 277000 Preußen unter
den Waffen.
1813-1815 XLI. Die Befreiungskriege 1813—1815.
• 1 Rüftunq und Vorbereitung. Im Januar 1813 ging der
König Friedrich Wilhelm III. von Berlin nach Breslau, denn hier
konnte er frei gegen Napoleon rüsten. Er verbündete sich mit den
Russen, stiftete für die tapfersten Krieger das eiserne Kreuz und erließ
den Aufruf: „An mein Volk!" Darin sagte er: „Keinen andern Aus¬
weg giebt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen
Untergang."
Nun geschah es, wie der Dichter Theodor Körner sang: „Das Volk
steht auf, der Sturm bricht los". In großen Scharen strömten die
waffenfähigen Jünglinge und Männer zu den Fahnen. Die Hörsäle
der Universitäten, ja die obersten Klassen der Gymnasien wurden leer,
der Landmann verließ seinen Pflug, der Handwerker seine Werkstatt,
der Kaufmann sein Geschäft, der Beamte seinen Beruf, um zur Wehr
zu greifen. Niemand wollte zurückbleiben, Jünglinge unter 16 Jahren,
Männer über 50 Jahre stellten sich zur Verfügung. Biele mußten
als unfähig zurückgewiesen werden und trauerten darüber. Sogar
Jungfrauen traten ins Heer und kehrten später, mit dem eisernen Kreuze
geschmückt, zurück.
Am schwersten war es, in dem von 1806—1813 gänzlich verarmten
Lande die Heeresmassen auszurüsten und zu ernähren. Da wurden an