Zweiter Abschnitt.
Das Zeitalter der Verfassungs- und (Linigungs
kämpfe.
Mehr als ein halbes Jahrhundert, 1815—1870, ist das Volksleben von
politischen Bestrebungen bewegt. Um die Mitte des Jahrhunderts erreichen
die Bevölkerungen durchweg die Anteilnahme an der Regierung auf Grund
gesetzlicher Verfassungen; zwei Jabrzehnte später erfüllt sich auf den
Schlachtfeldern Frankreichs die nationale Einigung zum neuen Deutschen
Reiche.
Die wirtschaftliche Entwicklung, die nach den Befreiungskriegen ein-
setzt, gewinnt immer mehr an Ausdehnung und Kraft.
Die ersten Jahrzehnte nach den Freiheitskriegen.
§ 71. Der Deutsche Bund. Der auf dem Wiener Kongresse er-
richtete Bund umfaßte sämtliche 39 deutschen Staaten, die von den
270 des alten Reiches übrig geblieben waren. O st e r r e i ch gehörte
ihm aber nur mit seinen deutschen Kronländern, etwa einem Drittel
der ganzen Monarchie, Preußen nur mit den Provinzen an, die
früher Teile des Reiches gewesen waren, also nicht mit den Provinzen
Posen und Preußen. Auch mehrere nichtdeutsche Fürsten waren
Mitglieder des Bundes: der dänische König für Holstein, der englische
für Hannover, der niederländische für Luxemburg. Vertreter der
Staaten bildeten den Bundestag, der unter dem Vorsitze
Österreichs in der alten Kaiserstadt Frankfurt am Main die
Angelegenheiten des Bundes beriet. Eine Volksvertretung gab es
nicht. Der ganze Bund war ein schwerfälliges Staatengebilde ohne
einheitliche Gewalt, wie Stein sie gewollt hatte, und übte eher einen
hemmenden als fördernden Einfluß auf die deutschen Verhältnisse aus.
Wie unterscheidet sich ein Staatenbund, wie es der Deutsche
Bund war, vom Bundesstaate (vgl. unser Deutsches Reich)?
§ 72. Nationale Bewegungen. Die von den Freiheitskriegen
geweckten nationalen Hoffnungen vieler waren enttäuscht. Besonders