Full text: Haus und Welt (Bd. 3)

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Stoßzähnen, Bären und Hyänen, Flußpferde und Seefische. Selbst auf 
hohen Bergen, wo jetzt der Hirt das Rind und die Ziege weidet und der 
Jäger das scheue Wild jagt, findet man unter dem duftenden Grase die 
Überreste von Seetieren, die einst über diesem Boden in den Fluten ihr 
Wesen trieben. Reiche Ernte hat da der Tod unter großen und kleinen 
Tieren gehalten. Ist doch mancher Leichenstein der untergegangenen Tier¬ 
leiber so mit dem Fette derselben getränkt, daß er brennt wie ein Docht, 
wenn man ihn ins Feuer hält; findet man doch bei genauer Untersuchung, 
daß zwei Drittel eines Kreidestücks aus den kleinen Schalen untergegangener 
Geschöpfe bestehen. Das Meer ist der Totengräber gewesen, und staunend 
sieht der Mensch die Knochenleiber in diesen ersten Friedhöfen, wo unter 
dem heißen Kampfe aller Elemente die ältesten Leichen bestattet wurden. 
Auch Waldungen von üppigem Wüchse und undurchdringlichem 
Dickicht senkte das entfesselte Meer ein, als sollten jenen Friedhöfen auch 
die Trauerweiden und Toteneschen nicht fehlen. Als Steinkohlen graben 
wir jetzt diese eingesenkten Wälder wieder aus. In den feinschlammigen 
Zwischenschichten derselben findet man noch die Blätter zart und zierlich 
abgedrückt und die versteinerten Stämme oft noch senkrecht emporstehen. 
So üppig aber auch der Wuchs jener Wälder gewesen sein mag, so ein¬ 
förmig und öde standen doch viele von ihnen da. Farnkraut, Schachtel¬ 
halm und Bärlapp sind nicht selten die einzigen Pflanzen gewesen, die 
dicht gedrängt emporgeschossen waren. Keine duftende Blüte schmückte das 
dunkle Grün, keine wohlschmeckenden Früchte zierten die Zweige, kein lieder¬ 
reicher Sänger nistete in ihrem Schatten. Nur gespensterhafte Tiere sind 
in ihnen mit ihren Schreckensgestalten aufgefunden worden. 
So liegt eine ganze Urwelt vergraben im Schoße der Erde und zeigt 
uns mitten unter dem starren Gestein ein längst vergangenes Leben. Als 
aber die allmächtige Hand dem langen Kampfe aller Elemente Grenze und 
Ziel setzte und die Meßschnur spannte über Berg und Thal, über Meer 
und Land, da entsproß ein neues junges Leben der stummen Erde und 
blickte zum erquickenden Strahl der belebenden Sonne. In dem gezweigten 
Baume säuselte der Wind in Harfentönen ein neues Schöpfungslied, und 
edlere Formen weckte der Werderuf des Unerforschlichen von neuem zum 
Dasein. Karl Gude. 
2. Das Gold. 
Das Gold gilt für das edelste Metall wegen seiner schönen 
Farbe, seines schönen Glanzes, und weil es sich mit Leichtig¬ 
keit zu jeder Form verarbeiten lässt, Mag es ferner jahrelang 
Ernst und Tews, Lesebuch f. M. III. 25
	        
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