74 Die mythische Zeit.
Anmerk. 2: Aktaon war ein Enkel des Kadmos von Theben und Sohn
von dessen Tochter Autonoe. Er eilte einst vom Jagen ermüdet im gargap bischen
Thale zu einer Grotte, m welcher eine kühle Quelle sprudelte, welche der Artemis
geheiligt war. Hier nahm nun gerade die Göttin von ihren Nymphen bedient ein
Bad Als sie den hereintretenden Aktaon gewahrte, zürnte sie heftig und spritzte ihm
Wasser aus der Quelle ins Antlitz, wodurch er in einen Hirsch verwandelt wurde
denn er sollte niemals verrathen können, dass er Artemis gesehen habe. Als Hirsch
wurde Aktaon von fernem bisherigen Jagdgesolge verfolgt und von seinen eigenen
Hunden zerrissen.
Aktaon ist wahrscheinlich ein Bild der in der drückenden Sonnenh'tze hin-
welkenden Natur. '
Meleagros und die kalydonische Jagd.
Anmerk. 3: In der Stadt Kalydon in Ätolien vergaß einst der Kön'a
Oneus bei einem Erntefeite, als er allen Göttern opferte, die einzige Göttin
Artemis. Darob zürnte diese und schickte einen furchtbaren Eber, der kalydonifche
Eber genannt, ins Land. Dieser verwüstete alle Felder Ätoliens. Da veranstaltete
Meleagros, der Sohn des Oneus und der Althäa, eine große Jagd, die
kalydontsche yagb, an der alle Helden Griechenlands Theil nahmen. Da kamen:
Kastor und Pollux, Söhne des Königs Tyndareos von Sparta? Idas und
Lynkeus von Messenien; Jason vonJolkos; Nestor von Pylos: Theseus von
Athen; Peirithoos, König der Lapithen in Thesprotien,- Amphiäräos aus dem
^urstengeschlechte von Argos; Telämon von Salamis; Admetos von Pherä-
Peleus von Thessalien u.a.m. Auch die treffliche Jägerin Atalänta, eine
Königstöchter aus Arkadien, nahm Theil an der Jagd. Atalanta traf zuerst den
Eber mit ihrem Pfeile hinter dem Ohre in den Kopf. Als derselbe daher endlich
räch schwerem Kampfe erlegt war, zog ihm Meleager die Haut ab und schenkte diese
der Atalänta; aber seine Oheime, die Biüder seiner Mutter, entrissen ihr das Sieges¬
zeichen wieder. Darüber erzürnt, erschlug Meleager die Oheime.
Als Althäa die That ihres Sohnes erfuhr, holte sie das Holzscheit herbei,
von dem Meleagers Leben abhing. Nach der Geburt Meleagers hatten nämlich d'e
Parzen Altbäa besucht und das neugeborene Kind beschenkt. Klothö gab ihm
Großmuth, Lächesis Tapferkeit, A'tropos aber sagte, Meleager werde nicht eher
sterben, als b-s das Scheit Holz auf dem Heerde abgebrannt fei. Althäa hatte das-
selbe gleich aus dm Flammen gezogen, gelöscht und sorgfältig aufbewahrt. Jetzt
nun ließ sie einen Holzstoß errichten, um das Scheit den Flammen zu übergeben und
damit das Leben ihres Sohnes zu vernichten. Viermal wich sie vor den Flammen
zurück, so mächtig kämpfte das Muttergefühl in ihr gegen die grausige That, aber vor ihren
Augen tauchten die Schatten der ermordeten Brüder auf und flehten um Rache —
Lar^leu^e^e fte" das Holzscheit in das Feuer. Meleager starb sofort tahin,
Althäa aber erstach sich selbst, nachdem ihr Sohn gestorben war, der Vater war
von trostlosem Schmerze erfüllt, und die Schwestern Meleagers jammerten und waren
nicht von dem Grabhügel ihr-3 geliebten Bruders zu tternten, fo dass sich Artemis
selbst ihrer erbarmte und sie in Perlhühner verwandelte, die darum nur einen
klagenden Ton von sich geben.
Zu Tegea in Arkadien wurden im Tempel der Athene noch nach vielen
Jahrhunderten die von Würmern zernagte Haut des kalydonischen Ebers und dessen
Hauzähne gezeigt.
Orion und Endymion.
Anmerk. 4: Der riesenhafte Jäger Orion verfolgte einst die 7 Plejaden^
Tochter des Atlas und Begleiterinnen der Artemis. Diese flehten in ihrer Noth
die Göttin um Schutz an, welche ihr Flehen erhörte und sie als Sternbilder
an den Himmel verfetzte, wo Orion, auch zum Sternbild verwandelt, sie zur
Strafe immer muss vor sich herziehen sehen, indem sie stets untergehen, ehe er sie
erreicht. — Nach e'ner anderen Sage wollte Artemis selbst den heldenhaften Jäger
* Ori'on in Böotien heirathen; Apouon aber wünschte die erniedrigende Verbindung
der Schwester nicht. Als daher ernst der riesige Orion im Meere ging, so dass man
nur seinen schwarzen Kopf hervorragen sah, zeigte Apollott denselben seiner Schwester
und schlug ihr diesen Punkt als Hiel für ein Wettschießen vor. Die ahnungslose
Artemis ging auf den Vorschlag ein und erschoss selbst ihren Liebling, den sie erst
erkannte, als die Wellen seinen Leichnam ans Ufer trugen.