24 Geschichte der alten Welt. §. 15. 
sein mögen, und so erstaunlich die technische Fertigkeit und glatte Bearbeitung des härtesten 
Materials bei ihren Bildhauerwerken bleibt, hat doch nie weder die harmonische 
Schönheit noch die Zweckmäßigkeit und Symmetrie freischaffender Nationen erreicht, und ihre 
Dichtungen, obwohl reich an Empfindung, Phantasie und reizenden Bildern, entbehren 
der handelnden Lebendigkeit und idealen Menschlichkeit, wodurch die Schöpfungen der Griechen 
als unerreichte Muster dastehen. — In den Wissenschaften, die meistens Sondergut 
des Priesterstandes blieben, kamen die morgenländischen Völker nicht Uber die Anfänge und 
ersten Elemente hinaus, mit Ausnahme der mit ihrem Religionswesen verbundenen 
Himmelskunde, und sogar die vielgepriesenen Erzeugnisse ihres Kunst-und Gewerb- 
fleißes zeugen mehr von handwerksmäßiger, durch viele Uebung erlangter und Durch 
Kasten- und Zunftzwang festgehaltener Fertigkeit, als daß sie freie Producte eines erfinderischen 
Geistes und kunstreicher Hände gewesen wären. Die Knechtschaft hing wie ein Bleigewicht an 
allen Lebensäußerungen des Morgenländers. Nur die Phönizier zeigten wenigstens auf dem 
Gebiete der Handelstätigkeit und der Schiffahrtskunde ein schöpferisches Talent, wenn sie 
auch an staatenbildender Colonisationskraft hinter den Hellenen weit zurückblieben. 
1. Chinesen. 
§. 15. So wenig die Chinesen ihrer Natur nach geeignet sind, in das 
geschichtliche Leben einzuführen, an dem sie selbst keinen Theil haben, so werden 
sie doch mit Recht an den Eingang gestellt, einmal, weil im Großen und Allge¬ 
meinen die Entwickelung des Menschengeschlechts dem täglichen Laufe der Sonne 
gefolgt ist und somit aller Wahrscheinlichkeit nach die Völker des äußersten Ostens 
am frühesten aus dem Zustande halbwilder Naturvölker herausgetreten sind, und 
dann, weil die Chinesen vermöge ihres typischen Charakters und ihrer stagniren- 
ben Bildung nicht in den vollen Strom der Weltgeschichte eingereiht werden 
können. Sie stehen in der Vorhalle, um nach kurzer Betrachtung ihres Wesens 
für immer ausgeschieden zu werden. — In dem unermeßlichen, jetzt von dem 
mongolischen Volksstamme der Mandschu beherrschten Kaiserreiche China lebt 
seit den ältesten Zeiten ein Volk mongolischer Abkunft, das schon Jahrtausende 
lang unverändert dieselbe Cultur und dieselben Einrichtungen besitzt. Von der 
Geschichte der Chinesen läßt sich jedoch wenig Zuverlässiges berichten, da sie ihre 
Königsgeschlechter in ein fabelhaftes Alterthum hinaufrücken und alle Begeben¬ 
heiten mit selbstgefälliger Ruhmredigkeit entstellt haben. Nur was europäische 
Reisende über die Zustände und Einrichtungen melden, kann als sicher ange¬ 
nommen werden. Nach einer fabelhaften Urzeit, welcher die berühmten Gesetz¬ 
geber und Staatsordner Fo-hi, Iao, Schun und Iü angehörten, gründete 
iioo. der Kaiser Wnwangdie Dynastie T s ch e - u, die bis in die Mitte des 3. Jahrh. 
v. Chr. den chinesischen Thron besaß. Als dieses Herrscherhaus entartete und 
6d)i> das „himmlische Reich" von einer allgemeinen Auslösung bedroht war, stellte der 
o°°23o' kraftvolle, aber gewaltthätige Schi-hoang-ti mit despotischer Hand die alte 
Kaisermacht wieder her und ließ sogar die heiligen Bücher, welche Confucius 
aus alten Urkunden und Traditionen zusammengestellt hatte, vernichten, so daß 
H-m-Dy- Folge aus dem Gedächtniß und aus einzelnen erhaltenen Bruchstücken 
wieder hergestellt werden mußten. Dies geschah durch die Han-Dynastie, 
»''s A3 unter welcher das chinesische Reich die größte Macht und Ausdehnung erlangte. Im 
;r" 7. Jahrh. n. Chr. hatte China die letzte Blüthe unter Tai-1 so n g, dessen Tu¬ 
gend und Weisheit ihn zum gefeierten Liebling des Volkes machten. Nach dem 
Erlöschen seines Hauses, der Tang-Dynastie, begann im 10. Jahrh, die Zeit
	        
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