Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen

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3. Siegfried und Kriemhild. 
für die Gastfreundschaft durch feine Mithilfe im Sachfenkriege dankbar. 
Der Ruhm feiner Taten drang auch in das Frauengemach zu Kriemhild 
und erfüllte ihr Herz mit Bewunderung für den Helden. Beim Sieges- 
feste sprach Siegfried zuerst die holde Königstochter. Der schönste Lohn 
für seine Tapferkeit war ihr freundlicher Dank. Euch zuliebe habe ich 
das alles getan, gestand er ihr. Der Wunsch, Kriemhild öfter zu sehen, 
sie zum Weibe zu gewinnen, ließ ihn länger, als er gewollt, in Worms 
bleiben. Aber noch traute sich Siegfried nicht, um die Jungfrau zu 
werben; erst als Gunter von ihm verlangte, er solle ihm helfen, die Helden- 
starke Königin Brunhild zu gewinnen, da offenbarte Siegfried seine 
Liebe, und gern sagte ihm Gunter zu, daß, wenn er Brunhild gewänne, 
die Schwester Siegfrieds Gattin werden sollte. 
Darauf wurde die Fahrt nach Brunhildens Königssitz, dem Jsenstein 
auf Island, gerüstet. 
Außer Siegfried und Hagen begleitete den König nur noch ein treuer 
Freund, der tapfere Dankwert. 
2. Brunhild hatte geschworen, keinen Mann sich zu wählen, der sie 
nicht im Wettkampfe zu besiegen vermöchte. Sie war so im Waffenwerk 
geübt, daß ihrem schweren Speer kein Gegner trotzen konnte; sie war so 
stark, daß sie ein Felsstück weithin schleuderte; sie war so gewandt, daß 
sie in voller Rüstung, ihm nachspringend, den Stein noch überholte. 
Gunter hätte mit eigener Kraft Brunhild nie zu erringen vermocht; des- 
halb sollte ihm der starke Siegfried zum Siege verhelfen. Das wäre nicht 
ausführbar gewesen, wenn Siegfried nicht die Tarnkappe, die ihn unsichtbar 
machte, besessen hätte. 
Durch diese verborgen, trat er beim Kampf vor den Burgundenkönig, 
hielt den Speerwurf anstatt Gunters aus und streckte seinerseits Brun- 
hild zu Boden. Das Felsstück warf er viel weiter als die Gegnerin und 
sprang, Gunter mit sich tragend, noch über den Steinwurf hinaus. 
So gewann scheinbar Gunter den Sieg, und nun mußte die stolze 
Brunhild dem Burgundenkönige als Gattin nach Worms folgen. Lieber 
freilich wäre sie Siegfrieds Weib geworden, den sie schon von früher als 
den tapfersten und schönsten aller Helden kannte. Doch Gunter war ihr 
Besieger und erschien als der Vornehmere, denn Siegfried hatte sich selbst 
als Untertan Gunters bezeichnet. Siegfried selbst brachte die Nachricht 
vom glücklichen Erfolge der Fahrt nach Worms, und hier rüstete sich alles 
zum Empfange der künftigen Königin. Prachtvoll und herzlich war die 
Begrüßung. So schön Brunhild war, lieblicher erschien vielen die blonde 
Kriemhild. Ihrer Liebe glaubte auch Siegfried gewiß zu sein, gar freund- 
lich hatte sie ihn begrüßt.
	        
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