Full text: Leitfaden der Geschichte für die unteren und mittleren Klassen höherer Lehranstalten

— 192 — 
drangvollen und regellosen Leben hat er mit unendlicher Mühe die 
Regeln für den Laus der Himmelskörper gesunden, die seinen Namen 
unsterblich gemacht haben. 
b. Folgen des Krieges. Am Ende des dreißigjährigen 
Krieges sehen wir Deutschland in der traurigsten Verfassung. 
Nicht an allem trug der Krieg die Schuld. Schon im 16. Jahr- 
hundert erhielt der deutsche Handel einen gefährlichen Mitbewerber 
vor allem an dem ausblühenden niederländischen. Aber in der 
Hauptsache hat doch der lange Krieg das Unheil herbeigeführt. 
1) Der Volkswohlstand wurde völlig vernichtet. Die Heere 
waren bald auf Brandschatzungen in den besetzten Ländern 
angewiesen. Diese litten um so entsetzlicher, da die Heere das Ge- 
sindel aller Nationen sammelten, neben den Soldaten einen riesigen 
Troß mit sich führten und Freundes- und Feindesland gleich miß- 
handelten. Von den Leiden der Bevölkerung entwerfen die Zeit- 
genossen haarsträubende Schilderungen. Was die Bestialität der 
Soldaten verschonte, verschlang der Hunger, in dem die Leute sich 
von Gras, Wurzeln und Blättern nährten und selbst das Ekel- 
hasteste, sogar Menschenfleisch nicht verschmähten, odn erlag es an¬ 
steckenden Krankheiten. Wie groß der Menschenverlust war, läßt 
sich nicht mehr feststellen. In einzelnen Gegenden sank die Zahl 
der Familien auf ein Fünftel, ja ein Zehntel des früheren Bestandes. 
Eine Menge von Ortschaften verschwanden vollständig. Ackerland, 
Wiesen und Felder wurden Wald und Heide. Wie das offene Land, 
so litten die Städte. Handel und Industrie zogen sich nach Eng- 
land, den Niederlanden und Frankreich. Augsburg sank von 80000 
auf 16000 Einwohner. Der Hanfabund verfiel. Hamburg. Bremen 
und Lübeck verloren ihre politische Bedeutung. Der überseeische 
Handel der Hansa war so gut wie vernichtet. 2) Im Reich verlor 
der Kaiser vollends den letzten Rest wirklicher Macht. Fremde Mächte 
rissen wichtige Gebiete vom Reiche ab und führten das entscheidende 
Wort in den Angelegenheiten des Reiches. So wurde Deutschland 
der Spott und der Spielball der Völker; namentlich von Frankreich 
wurde es in den nächsten Jahrzehnten schmählich mißhandelt. 
3) Auch die deutsche Bildung, Sprache, Literatur teilten den 
allgemeinen Versall. Die Reformation hatte für die Hebung des 
Schulwesens einen kräftigen Anstoß gegeben; der Krieg zerstörte 
diese Anfänge. Wie in den Heeren des großen Krieges alle Völker 
Europas auf dem deutschen Boden sich tummelten, so begann das 
Fremdländische in der Sprache, in dem Schrifttum, in der Sitte 
zu herrschen: die deutsche Sprache wurde durch Fremdwörter ver- 
unstaltet, die deutschen Dichter wurden knechtische Nachahmer Zweifel- 
haster fremder Machwerke; die fremde Mode machte die Deutschen 
zu „ Franz en äffen" (Ausdruck des Dichters Friedrich von Logau). 
4) Daß endlich der lange Krieg der Sittlichkeit des Volkes die 
schwersten Wunden schlug und Roheit, Unmäßigkeit und Unzucht 
beförderte, ist begreiflich. Der Aberglauben, dessen häßlichste 
Frucht die greuelvollen Hexenprozesse waren, gewann in der rohen 
Zeit eine noch größere Macht; und dem Glauben fehlte vielfach 
Leben und Wärme. Mit so großen Opfern hat Deutschland den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.