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drangvollen und regellosen Leben hat er mit unendlicher Mühe die
Regeln für den Laus der Himmelskörper gesunden, die seinen Namen
unsterblich gemacht haben.
b. Folgen des Krieges. Am Ende des dreißigjährigen
Krieges sehen wir Deutschland in der traurigsten Verfassung.
Nicht an allem trug der Krieg die Schuld. Schon im 16. Jahr-
hundert erhielt der deutsche Handel einen gefährlichen Mitbewerber
vor allem an dem ausblühenden niederländischen. Aber in der
Hauptsache hat doch der lange Krieg das Unheil herbeigeführt.
1) Der Volkswohlstand wurde völlig vernichtet. Die Heere
waren bald auf Brandschatzungen in den besetzten Ländern
angewiesen. Diese litten um so entsetzlicher, da die Heere das Ge-
sindel aller Nationen sammelten, neben den Soldaten einen riesigen
Troß mit sich führten und Freundes- und Feindesland gleich miß-
handelten. Von den Leiden der Bevölkerung entwerfen die Zeit-
genossen haarsträubende Schilderungen. Was die Bestialität der
Soldaten verschonte, verschlang der Hunger, in dem die Leute sich
von Gras, Wurzeln und Blättern nährten und selbst das Ekel-
hasteste, sogar Menschenfleisch nicht verschmähten, odn erlag es an¬
steckenden Krankheiten. Wie groß der Menschenverlust war, läßt
sich nicht mehr feststellen. In einzelnen Gegenden sank die Zahl
der Familien auf ein Fünftel, ja ein Zehntel des früheren Bestandes.
Eine Menge von Ortschaften verschwanden vollständig. Ackerland,
Wiesen und Felder wurden Wald und Heide. Wie das offene Land,
so litten die Städte. Handel und Industrie zogen sich nach Eng-
land, den Niederlanden und Frankreich. Augsburg sank von 80000
auf 16000 Einwohner. Der Hanfabund verfiel. Hamburg. Bremen
und Lübeck verloren ihre politische Bedeutung. Der überseeische
Handel der Hansa war so gut wie vernichtet. 2) Im Reich verlor
der Kaiser vollends den letzten Rest wirklicher Macht. Fremde Mächte
rissen wichtige Gebiete vom Reiche ab und führten das entscheidende
Wort in den Angelegenheiten des Reiches. So wurde Deutschland
der Spott und der Spielball der Völker; namentlich von Frankreich
wurde es in den nächsten Jahrzehnten schmählich mißhandelt.
3) Auch die deutsche Bildung, Sprache, Literatur teilten den
allgemeinen Versall. Die Reformation hatte für die Hebung des
Schulwesens einen kräftigen Anstoß gegeben; der Krieg zerstörte
diese Anfänge. Wie in den Heeren des großen Krieges alle Völker
Europas auf dem deutschen Boden sich tummelten, so begann das
Fremdländische in der Sprache, in dem Schrifttum, in der Sitte
zu herrschen: die deutsche Sprache wurde durch Fremdwörter ver-
unstaltet, die deutschen Dichter wurden knechtische Nachahmer Zweifel-
haster fremder Machwerke; die fremde Mode machte die Deutschen
zu „ Franz en äffen" (Ausdruck des Dichters Friedrich von Logau).
4) Daß endlich der lange Krieg der Sittlichkeit des Volkes die
schwersten Wunden schlug und Roheit, Unmäßigkeit und Unzucht
beförderte, ist begreiflich. Der Aberglauben, dessen häßlichste
Frucht die greuelvollen Hexenprozesse waren, gewann in der rohen
Zeit eine noch größere Macht; und dem Glauben fehlte vielfach
Leben und Wärme. Mit so großen Opfern hat Deutschland den