Achilles. 11
damit die Troer neun Tage den Tobten beweinen, am zehnten ihn der-
brennen unb am elften bas Grabmal aufrichten könnten.
Als sich Priamus ber Stabt näherte, stürzten Männer unb Frauen
ihm aus dem Thore entgegen, umbrängten ben Wagen unb stießen Jam-
mergeschrei aus. Am meisten aber klagten die alte Mutter und bie zärt¬
liche Gattin. Sie rauften sich bas Haar unb wollten von keinem Tröste
wissen. Man führte ben Leichnam nach ber Königsburg, stellte ihn in ber
Halle aus, Trauergesänge würben gesungen unb am 10. Tag bie Leiche
verbrannt. — Hierauf erneuerten sich bie Kämpfe. In einem berselben Tod des
fiel auch Achilles, getroffen vorn Pfeile bes Paris *). Achilles.
7. Die Griechen würben ber bereits zehnjährigen Belagerung cnblich
überbrüfsig unb wünschten sehnlich nach Hause zurückzukehren. Zuvor je-
boch sollte noch ein Eroberungsversuch gemacht werden. Sie bauten auf
den Rath des Odyfseus ein hölzernes Pferd von Thurmeshöhe uitb Das höl-
brachten an bem weiten Bauch besfelben eine verborgene Thüre an. Durch zerne Pferd,
biefe krochen Obysseus, Menelaus, Neoptolemus, ber Sohn bes
Achilles, und mehrere anbere Helben, breißig an ber Zahl, in ben Bauch
des Ungeheuers. Die Griechen schloffen bie Thür hinter ihnen zu. Dann
verbrannten sie ihr Lager unb begaben sich auf die Schiffe, als wollten
sie nach Haufe segeln. Als die Trojaner den Rauch vom Lager in die
Luft steigen sahen und auch bie Schiffe verfchwunben waren, strömten sie
voll Freuben aus ber Stadt nach dem griechischen Lager und erblickten
hier das gewaltige hölzerne Roß. Während sie unter einander stritten, ob man
bas Wunberthier verbrennen ober in bie Stabt schaffen sollte, brachten
trojanische Hirten einen gefangenen Griechen baher. Sinon hieß er;
sie hatten ihn im Schilfe des Ufers ertappt. Neugierig stellten sie sich im
'Kreise um ihn herum und forderten ihn auf, zu bekennen, was bas Pferb
bebeute. Daö eben hatte ber Arglistige gewünscht; benn er hatte mit
feinen Lanbsleuten verabrebet, sich gefangen nehmen zu lassen unb bie Tro¬
janer über die Bestimmung des Rosfes zu täuschen. Er sing laut an zu
weinen und stellte sich, als könnte und dürfte er das Geheimniß mit dem
Pferde nicht verrathen. „Nun, ich bitte euch!" schrie er, „tobtet mich lie¬
ber auf ber Stelle." Um so neugieriger würben bie Trojaner. Enblich
gab er ihren Bitten unb Drohungen nach. „So hört benn," rief er, „bie
Griechen schiffen jetzt nach Hause; für eine glückliche Heimkehr ist auf Be¬
fehl bes Priesters biefes Pferb gezimmert als Sühnungsgeschenk für bie
beleidigte Schutzgöttin eurer Stadt, deren Bildniß Obysseus unb Diome-
des einst frevelmüthig euch entwendet haben. Kommt das Pferb unver¬
letzt in eure Stabt, fo wirb sie, nach bem Ausspruche bes Priesters, un-
überwinblich sein und ringsum bie Völker beherrschen. Das eben wollten
eure Feinbe verhindern unb bauten es absichtlich groß, bamit es nicht
burch bie Thore gehe." So sprach ber listige Grieche. Die Trojaner
1) Nach einer spätem Sage hatte Thetis den neugebornen Achilles in die
Fluchen des Styr, eines Flusses in der Unterwelt, getaucht, wodurch er am ganzen
Körper unverwundbar wurde; nur die Ferse, an der die Mutter das Kind festhielt,
wurde von dem schützenden Wasser nicht berührt. Paris habe nun den Achilles ge¬
lobtet, indem er feinen Pfeil nach der verwundbaren Ferse richtete.