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IX.
Friedrichs des Großen Ansichten über das
Königtum.
Es war im Januar des Jahres 1740. An der herzoglichen
Tafel im Schlosse zu Wolfenbüttel hatte das Mittagsmahl eine aus-
erlesene Gesellschaft vereinigt: Fürsten, Staatsmänner, Feldherrn.
Nach der Sitte der Zeit bewegte sich die Unterhaltung in französischer
Sprache. Man sprach über die Kunst des Regierens. Manches
geistschillernde, aber auch manches gedankenschwere Wort ward laut.
Vielgestaltig und widerspruchsvoll trafen sich die Ansichten. Der
Streit der Meinungen kam zum Verstummen ob eines durch seinen
Inhalt geradezu verblüffenden Ausspruches eines der Anwesenden.
„Was mich betrifft, ich werde, wenn ich dereinst den Thron besteige,
ein rechter König der armen Leute sein." Der Sprecher war ein
achtundzwanzigjähriger junger Mann, dessen tiefblaues Auge geist-
funkelnd den Zuhörern entgegenstrahlte, auf dessen scharfgeschnittenen
Zügen bereits der Ernst des Lebens lagerte: es war Kronprinz
Friedrich von Preußen.
Wenige Monate vergingen, und er war „König".
Unmittelbar nachdem Friedrich das Sterbebett seines Vaters
verlassen, wurde ihm als dem nunmehrigen Könige von den ersten
Beamten des Staates, soweit sie anwesend waren, die Huldigung
dargebracht. Als bei dieser Gelegenheit der Feldmarschall Leopold
von Dessau — der alte Deffauer — der Hoffnung Ausdruck gab,
er werde seine Stellung und dieselbe Autorität behalten wie unter
der Regierung der hochseligen Majestät: gab ihm König Friedrich
ebenso bestimmt in der Form wie im Entschluß die Antwort: „Ihre
Stelle sollen Sie behalten; was aber die Autorität anbelangt, so
weiß ich von keiner als von der, die mir, dem Könige, innewohnt."
Einige Tage verstrichen. Da wagte es Markgraf Heinrich von
Schwedt, einer der Genossen des Rheinsberger Kreises, welche mit
Friedrich daselbst jugendfrohe Tage in schrankenloser Heiterkeit zu¬
gebracht hatten, nach der bisherigen Weise Worte übermütigen
Scherzes an den König zu richten. Allein Friedrich wandte ihm
den vollen Blick seines Auges zu, das so gewinnend mild aber auch
so abweisend herrisch zu schauen vermochte, mit den Worten: „Mein
Prinz, jetzt bin ich König."