Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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erworben, sich dann unrechtmäßig des Papstthums bemächtigt habe, das er durch an- 
stößiges Leben beflecke; denn er umgebe sich mit einem Gefolge vornehmer Frauen und 
lebe mit der Markgräfin Mathilde im Ehebruch. Diese Anklagen waren theils vom 
Hasie erfunden, theils übertrieben. Die Synode setzte den Papst ab, da er die höchste 
Kirchengewalt widerrechtlich ergriffen, die Kirche zertrennt, die Gewalt der Bischöfe ge- 
brochen ^und die Kirchenverwaltung dem Pöbel übergeben, die löbliche Ordnung der 
alten Kirche vernichtet, sich aber ungebührliche Gewalt beigelegt habe, und da überall 
Klagen laut würden, daß alle Verhandlungen beim apostolischen Stuhle durch Frauen 
geführt und durch diesen Weiberstaat die ganze Kirche geleitet werde. Diesen Beschluß 
sandte „Heinrich, nicht durch Gewalt, sondern nach Gottes frommer Anordnung, 
König, an Hildebrand, nicht den Papst, sondern den falschen Mönch!" Nach diesem 
leidenschaftlich heftigen Gruße führte das Begleitschreiben noch weiter aus, daß der 
König seine Gewalt unmittelbar von Gott habe, Gregor's Gewalt aber durch List 
Geld und Gewalt erworben und nicht von Gott sei, und schloß: „der heilige Petrus' 
ein Papst in Wahrheit, sagt: „Fürchtet Gott, ehret den König/' du aber, weil du 
Gott nicht fürchtest, verunehrst in mir seine Ordnung. Der heilige Paulus, wo er 
den Engel vom Himmel nicht schont, der anderes als das Evangelium predigen' würde, 
hat dich, der anderes auf Erden lehrt, nicht ausgenommen, wenn er sagt: „So 
irgend jemand, ob wir oder ein Engel vom Himmel, euch würde Evangelium predigen 
anders, denn euch gepredigt ist, der sei verflucht." Durch diesen Fluch und unser und 
unserer Bischöfe Urtheil verdammt, steige also herab, verlaß den angemaßten aposto- 
lischen Stuhl, ein anderer besteige den Stuhl Petri, der da nicht Gewalt unter dem 
Deckmantel der Religion übt, sondern die lautere Lehre des heiligen Petrus verkündigt. 
Ich Heinrich, König von Gottes Gnaden, rufe dir mit allen meinen Bischöfen zu: 
„Steige herab, steige herab!" In einem besonderen Schreiben forderte Heinrich auch 
die Romer auf, den Papst, der die Kirche und das Reich verwüste, zu vertreiben und 
einen andern zu wählen. Aber nach dem Aufstande des Eentius war des Papstes 
Ansehen in der Stadt sehr gestiegen, so daß die Römer nicht darauf eingingen. 
Als der Papst von den Wormser Beschlüssen Kunde erhielt, berief er auf den 
21. Februar ein Eon eil nach Rom, zudem aus den Ländern außerhalb Deufchland's 
110 Bischöfe erschienen. In diesem Eoncile traten des Königs Gesandte auf und 
riefen dem Papste zu: „Der König und unsere Bischöfe gebieten dir von dem Stuhle 
Petri zu steigen, den du nicht nach dem Rechte, sondern durch Raub erlangt hast!" 
Auch die Kardinäle forderten sie auf, Gesandte nach Deutschland zu schicken, um einen 
neuen Papst zu erhalten; „denn dieser ist kein Papst, sondern ein reißender Wolf". 
Da aber erhob sich ein ungeheurer Sturm in der Versammlung, und die Gesandten 
wären in Stücken zerhauen worden, wenn sie nicht Gregor selbst geschützt hätte. Der 
Papst stellte dann die Briese der Bischöfe und des Königs zur Berathung, und das 
Concil excommunicirte die BiHöfe, und der Papst sprach in feierlicher Weise den Bann 
über den König aus, indem er nach einem Gebete an den heiligen Petrus öffentlich 
verkündigte: „In diesem Vertrauen untersage ich nun zur Ehre und zum Schutze 
deiner Kirche im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des 
heiligen Geistes, in Kraft deiner Vollmacht dem Könige Heinrich, Kaiser Heinrich's 
Sohn, der sich mit unerhörtem Hochmuth gegen deine Kirche erhoben hat, die Regierung 
des ganzen deutschen Reichs und Italiens, löse alle Christen von der Verpflichtung des 
Eides, den sie ihm geleistet haben oder noch leisten werden, und untersage hiermit 
jedermann, ihm als einem Könige zu dienen. Denn es gebührt sich, daß, wer die
	        
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