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Frankfurt a. M. in der Paulskirche zusammen. Sie bestand aus 586
Mitgliedern und „ist von keiner früheren oder späteren Versammlung an
Geist und Talent, an Wissen und Beredsamkeit, an idealem Streben und
edler Vaterlandsliebe übertroffen worden." Eigentliche Staatsmänner
waren nur wenige darunter; wohl aber 116 Gelehrte (z. B. E. M. Arndt,
Uhland, Jakob Grimm), 100 Richter, 95 Rechtsanwälte, 124 Verwaltungs¬
beamte. Zum ersten Vorsitzenden wählte man Heinrich von Gagern,
der durch sein mutvolles Auftreten in dem hessen-darmstädtischen Landtage
und durch freisinnige Schriften sich berühmt gemacht hatte; seine schöne,
kraftvolle Gestalt, die gewaltige Stimmkraft und vor allem seine hohe
geistige Begabung und der sittliche Ernst, mit dem er für seine Über-
zeuguug eintrat, machten ihn dazu besonders geeignet. Als er später an
die Spitze des Reichsministeriums trat, folgte ihm im ersten Vorsitz der
Königsberger Eduard Simsou, der ihn bis zur Auslösung der Versamm-
lung führte.
Die Nationalversammlung war aus sreien Volkswahlen hervor-
gegangen, und sie erhob daher den Anspruch, ihre Beschlüsse sollten maß-
gebend für die 38 deutschen Regierungen sein, die zu befragen sie nicht
für nötig hielt. Sie besaß aber keine Machtmittel, weder Truppen
noch Geld, um die Regierungen zur Ausführung ihrer Beschlüsse zu
zwingen. Dies war und blieb die schwächste Seite der Versammlung.
Eine andere Schwäche war die Unersahrenheit in der Geschäfts-
führung. Jeder einzelne Abgeordnete glaubte seine besonderen Meinungen
und Wünsche in besonderen Anträgen ausdrücken zu müssen, die er dann
möglichst ausführlich begründete, und so wurden Tage und Wochen mit
Reden hingebracht, ohne daß viel erreicht wurde. Ein dritter Schaden
war das maßlose Auftreten der Republikaner in der Versammlung;
sie verlor dadurch die Gunst der öffentlichen Meinung, die doch die einzige
Grundlage ihrer Macht war. Die vierte Schwäche war der alte Gegen-
fatz zwischen Österreich und Preußen, der unter den Abgeordneten
von Anfang an zu Tage trat. — Diese Umstände Hattert zur Folge, daß
die Versammlung nach einem Jahre angestrengter Arbeit scheinbar ohne
jedes Ergebnis auseinanderging.
2. Die Arbeit der Nationalversammlung, a) Bis zur Ein¬
setzung des Reichsverwesers. Die Aufgabe der Versammlung war,
eine deutsche Reichsverfassung zu entwerfen. Da aber bei ihrer Be-
ratung sich sofort der Streit wegen der österreichischen oder preußischen
Vorherrschaft entzündete, verschob man die Weiterberatung darüber auf
ein halbes Jahr. Es galt zunächst, eine vorläufige höchste Reichsgewalt