Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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manien ernannt wurde, wollte dieser das Volk mit einem Male umwandeln; 
er behandelte die Germanen herrisch und erpreßte von ihnen wie von Unter- 
tonen Tribut. Das wollten sie sich nicht länger gefallen lassen. Die 
Häupter des Volkes sehnten sich nach der früheren Herrfchaft zurück, und 
die Menge fand die frühere, hergebrachte Regierungsweife besser als die 
jetzige Zwingherrschaft der Fremden. Mit Kummer blickten die Germanen 
auf ihre Schwerter, die der Rost bedeckte, und auf ihre Roffe, die müßig 
standen. 
Ein Jüngling von edlem Geschlechte, tapferen Armes und gewandten 
Geistes, namens Armin, ein Sohn Segimers, des Fürsten der Cherusker, 
gedachte, die Sorglosigkeit des römischen Befehlshabers sich zu nutze zu 
machen. Er hatte früher die Römer auf vielen Feldzügen begleitet und 
befaß außer dem römischen Bürgerrecht auch den Rang eines römischen 
Ritters. Jetzt dachte er gar klug, niemand sei leichter zu überwältigen, als 
wer nichts fürchte, und nichts sei öfter der Anfang des Unglückes gewesen 
als Sorglosigkeit und das Gefühl der Sicherheit. Zuerst weihte er wenige, 
dann mehrere als Genossen in seine Pläne ein. Daß es möglich sei, die 
Römer zu besiegen, behauptete er mit Zuversicht, überzeugte davon auch 
seine Gefährten, und er bestimmte eine Zeit zum Überfall. Das wurde Varus 
durch einen Cherusker, namens Segeft, angezeigt. Aber das waltende 
Schicksal hatte den Geist des Varus verdunkelt. 
Einen offenen Aufstand wagten die Germanen nicht, weil sie meinten, 
die Zahl der Römer, die am Rhein und im Innern des Landes standen, 
sei zu groß. Sie nahmen vielmehr den Varus so auf, als ob sie allen 
feinen Forderungen sich fügen wollten, und lockten ihn vorn Rheine weiter 
in das Land der Cherusker und bis zur Weser. Auch hier lebten sie mit 
ihm in Frieden und Freundschaft und ließen ihn glauben, daß sie auch 
ohne die römischen Waffen den Befehlen der Römer gehorchen würden. 
So geschah es, daß Varus nicht, wie er in Feindesland hätte thun 
sollen, seine Truppen zusammenhielt, sondern viele seiner Leute nach ver- 
schiebenen Seiten hinsandte, sei es, um gewisse Plätze zu beschützen, sei es, 
um Räuber aufzugreifen ober Transporte von Lebensmitteln zu decken. 
Die vornehmsten Verschworenen, die später auch im Kriege die An¬ 
führung übernahmen, waren Armin und Segimer, die beide stets um 
Varus waren und oft an feiner Tafel aßen. Während nun Varus ganz 
zuversichtlich war und sich keines Argen versah, vielmehr alle, die ihn zur 
Vorsicht mahnten, wegen allzugroßer Ängstlichkeit schalt, empörten sich zuerst 
der Verabredung gemäß etliche entferntere Stämme. Sie wollten dadurch 
den Varus, wenn er gegen die Empörer zöge, in eine Falle locken und ihn 
verhindern, Vorsichtsmaßregeln zu treffen, wenn sie sich alle zugleich em- 
pörten. So geschah es denn auch. Als Varus aufbrach, begleiteten sie ihn 
eine Strecke; dann aber blieben sie zurück, angeblich, um Bundesgenossen 
zu werben und sie ihm zuzuführen. Nachdem sie die Hilfsmacht, die schon 
an einem bestimmten Platze bereit stand, an sich gezogen hatten, rückten sie 
gegen Varus vor und zeigten sich nun nicht als Untertanen ober Bunbes- 
genossen, sonbern als Feinbe. 
Die Gebirge, in benen sich Varus jetzt befanb, waren schluchtenreich 
unb zerklüftet, bie Wölbungen unburchbringlich bicht unb voll gewaltiger 
Stämme, so baß bie Römer schon vor bem Erscheinen ber Feinbe mit bem
	        
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