Geistige Kultur der Reformationszeit.
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großartigen wirtschaftlichen Aufschwung ungeheurer Reichtum ansam-
melte, auch die Kunst, besonders die Malerei, zur höchsten Blüte. Die
flandrische Schule in den katholischen spanischen Niederlanden
wurde stark von den Italienern beeinflußt, Me holländische 6chule
in den protestantischen freien Niederlanden nahm eine selbständige Ent-
Wicklung. In der flandrischen Schule ragte hervor Peter Paul Rubens
(geboren zu Siegen in Westfalen 1577, gestorben zu Antwerpen 1640).
Rubens ist einer der größten Maler aller Zeiten, ein Künstler von im
erfchöpflicher Fruchtbarkeit und größter Vielseitigkeit. Seine oft derben
Gestalten atmen höchste Kraft und Lebensfülle, an Leuchtkraft der Farbe
steht er unübertroffen da. Sein bedeutendster Schüler ist van Dyck,
später Hofmaler Jakobs I. von England, wo er zahlreiche Porträts in
geistvoller Charakterisierung der Persönlichkeiten geschaffen hat. In
seinen historischen Bildern erreicht er nicht seinen Meister an Kraft und
Tiefe, allein sie sind von zarter Innigkeit durchweht. Unter den Ver-
tretern der holländischen Schule ist Rembrandt (f 1669) bei weitem
der bedeutendste. Er steht Rubens an Größe kaum nach. Kein zweiter
gibt die feinsten Luftreize, besonders das Helldunkel so meisterhaft wieder
wie Rembrandt. Er starb in der höchsten Armut.
Im 17. Jahrhundert erreichte die Malerei auch in Spanien hohe
Vollkommenheit. Ihre Hauptvertreter sind V e l a s q u e z, welcher der
realistischen Richtung angehörte, und Murillo, der durch seine ideali¬
sierenden kirchlichen Malereien und durch seine naiven und humorvollen
Bilder aus dem Volksleben berühmt ist.
c) Das Kunstgewerbe.
Die Renaissance bewirkte auch einen Aufschwung des deutschen
Kunstgewerbes. Besonders förderlich mar es für dieses, daß die größten
deutschen Künstler wie Dürer und Holbein d. I. Zeichnungen für die
Arbeit der Kunsthandwerker lieferten. Vor allem bei der Kunsttisch
lerei zeigte sich die Einwirkung des neuen Stils. Säulen, Halbsäulen
und Pilaster fanden auch an den Schränken reiche Verwendung. Nicht
selten bilden sie eine fensterartige Umrahmung der Füllung. Diese ist
mit Flächenornamenten mannigfaltiger Art geziert, besonders beliebt
sind Einlegearbeiten (Intarsia), bei denen schöne Wirkungen durch die
verschiedene Farbe der verwendeten Holzarten erzielt wurden. Viele
Schränke krönt ein den Giebeldächern der Fenster nachgebildeter Aufsatz
mit der Muschel. In den Kirchen schuf die Kunst der Tischler und
Schmtzer die schon erwähnten (S. 152) Altäre, prächtige Ehorstühle und
herrliche Kanzeln.
Die Goldschmiedekunst zog ihren Vorteil aus der reichlichen
Zufuhr von Gold und Silber aus den neuentdeckten Ländern, von Edel-
steinen und Perlen aus Indien. Sie lieferte der Kirche die kostbaren
Geräte, den Städten den Ratssilberschatz, prächtige Tafelaufsätze. Will-
kommskannen und -becher, Schmuckgegenstände aller Art. Aus der
Werkstätte der Waffenschmiede gingen prächtige Rüstungen her-
vor. Kunstvolles metallenes Geräte für den Haushalt arbeiteten durch
Treiben, Gießen und Drehen die Kupferschläger aus Kupfer, Mes¬
sing und Zinn. Als neues Kunstgewerbe kam hierzu die künstlerische