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XV. Zeitalter der absoluten Monarchie. Erstes Kapitel. 199
talent Colberts verschaffte ihm enorme Geldmittel für ein glänzen-
des Hofleben und sortdauernde Kriege durch Hebung der Fabrikthätig-
keit und des Handels, durch industrielle Unabhängigmachung des Lan-
des vom Auslande und durch Staatsmonopole. Der Bürgerstand
wurde dadurch gehoben und an das absolute Königtum gefesselt, der Bauern-
stand blieb in Dürftigkeit und Abhängigkeit. Der gewaltsame Lonvois
schuf das stehende Heer zn einem gleichartigen Körper um, Vanban
umgab die Nord- und Westgrenze des Staates mit einem künstlichen
Festungsgürtel. Auf unnachahmliche bestrickende wie auch schreckende
Weise verstand der König den Selbstherrscher darzustellen; er wurde
der Abgott des Hofes uud des Volkes und konnte in Wahrheit sagen:
ivL'etat c'est moi!" der Staat bin ich. In dem glänzenden und
üppigen Hofleben zu Versailles wurde der größte Teil des stolzen
französischen Volksadels zum sklavischen Hofadel, dessen sittliche Ge-
brechen sich hinter der strengsten Hofetikette und weltmännischer Fein-
heit verbargen. Von hier aus gingen die Moden, Umgangsformen
Und raffiniertes Genußleben über die höhern Stände Europas.
Tie maßlose Anspannung der Abgaben für dieses Hofleben und Ludwigs
Ununterbrochene Eroberungskriege, sowie der Strom sittlichen
Verderbens, der von dem gleißenden Lustleben des Hofes in weitere
Volkskreise drang, legten aber auch den Grund zum Ruin des alten
königlichen Frankreich.
Unter den belebenden Strahlen der königlichen Gunst, im Dienste
der absoluten Monarchie feierte die französische Litteratur und Kunst
ihr goldenes Zeitalter, und sie beherrschte, wie die französische
Sprache, den Geschmack des gebildeten Europa. Es glänzten die Tra¬
giker Corneille, f 1684, uud Raeine, f 1699, der Schöpfer der
französischen Komödie Meliere, f 1673, der Fabeldichter La Fon¬
taine, f 1694, der Kritiker Boileau, f 1711, als Kanzelredner
Vossnet, Fsnölon, zugleich pädagogischer Schriftsteller, und Pascal,
^r Verteidiger der Wahrheit des Christentums gegen die Zweifler seiner
3eit, als Philosoph Descartes (Cartesius). Die leidenschaftliche Bau lust
des Selbstherrscher» schuf Schlösser, vor allen Versailles, im Barock-
Und Rokoko-Stil mit großartigen Parkanlagen im steifen Perrücken-
ftil ihrer verschnittenen Baumgruppen. Wasserkünste und mythologischen
Bildwerke. Im Streite gegen die hierarchische Macht des Papstes be-
^uptete Ludwig seine höchste Gewalt auch über die katholische Kirche
feines Landes und hiermit gewisse Freiheiten der gallikanischen
Kirche; er verfolgte mit dem Papste und den Jesuiten die Janse-
Listen, welche die Augustinische Rechtfertigungslehre mit reformatorisch-
Etlichem Ernste gegenüber dem Leichtsinn in der herrschenden Kirche
^Neidigten. Am furchtbarsten wurden von der keinen Gegensah dul-
senden absoluten Herrschaft die Reformierten betroffen. Dem altern-
den König erschien die Reinigung des Reiches von Ketzern, welche sein
Muitischer Beichtvater als ein Verdienst bei Gott darstellte, zugleich