III. Die Wiedergeburt des Preußischen Staates und die Befreiungskriege. 45
unglücklichen Landes, seine Lage zu bessern, nur seinen Feinden zugute
zu kommen.
§ 64 Ter russische Feldzug 1812. Im Frühjahr 1812 wälzten H°A-V°rmarsch
sich über eine halbe Million Streiter, Angehörige fast aller Völker Europas,
aus das Machtwort des Einen der russischen Grenze zu. In drei
Heeressäulen hatte er sie eingeteilt: Die mittlere gedachte er selbst
zu führen; die südliche sollte unter dem österreichischen General Schwarzen-
berg durch Galizien in das südliche Rußland einmarschieren; die nörd-
liche, bei der sich die Preußen unter General Jork befanden, sollte
ihren Weg durch die Ostseeprovinzen nehmen. Noch einmal sonnte er sich
und seine Gemahlin, die ihm ein Jahr zuvor den Leibeserben, den „König
von Rom" geboren hatte, auf dem Fürstentage zu Dresden in seinem ^
Ruhme. Dann eilte er dem Heere nach.
Der Feind wich anfangs in berechneter Klugheit ohne Kampf
zurück. Aber in den menschenleeren Ebenen, in denen man den Un-
bilden der Witterung schutzlos preisgegeben war, lauerten Krankheiten,
machte sich der Mangel an Lebensmitteln geltend. Mit vermehrter Eile
gings vorwärts. Nach den blutigen Schlachten bei Smolensk am Smoim^und
Dnjepr und später bei Borodino an der Moskwa, in denen die Fran-
zosen unter großen Verlusten siegten, glaubte man sich am Ziel seiner
Wünsche. Es war im September, als sie, noch 100000 Mann stark,
in das „heilige Moskau" einzogen. Sie wurden grausam enttäuscht. Eimug^i.Moskau.
Die Stadt war von ihren Bewohnern verlassen und ohne Lebensmittel,
bald ging sie in Flammen auf, von den Russen planmäßig in Brand
gesteckt.
Der Sieger wartete vergeblich auf den Vorschlag der Friedens-
bedingungen. Da der Winter vor der Tür stand, so ließ er sich herbei,
solche selbst anzubieten. Doch Alexanderl., der unter dem Einfluß des
geächteten Freiherrn vom Stein stand, wies sie ab. So mußte Napoleon
mit dem Rest seines Heeres — es war am 19. Oktober — den Rück- Rückzug
zug antreten. Bald brach der schreckliche Winter herein, und mit ihm am 19'c!t'
begannen die namenlosen Leiden der Soldaten. Jede Ordnung ging ver-
loren. Zerlumpt, ausgehungert, von Kosaken und Bauernhorden umdroht,
schleppten sie sich durch Schnee und Eis dahin. Eine Spur von Leichen
kennzeichnete den Weg, den sie genommen. Schaurig war der über-Übergang Nerd.
gang über die Beresina. Nur einem Teil gelang es, über die schnell 58eiefma'
geschlagenen Brücken zu kommen, der Rest wurde von den Feinden nieder-
gemacht, gefangen, oder ertrank in den eisigen Fluten. Tief ergriffen,
wie durch ein Gottesgericht, schaute man auf die zerlumpten Gestalten,
die gegen Ende des Jahres 1812 über die polnischen Grenzen durch
Preußen ihren Weg nahmen. Napoleon selbst aber war, aus schnellen
Schlitten vorauseilend, bereits in Paris in Sicherheit. Der Moniteur