B. Wirkliche Bewegungen der Himmelskörper.
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so zu schwächen, daß die Sterne auch am Tage sichtbar wären, so könnte man be-
obachten, daß ein Stern, der heute mit der Sonne zugleich kulminiert, morgen schon
4 Minuten früher als die Sonne durch den Meridian geht, daß die Sonne gegen diesen
um so viel zurückgeblieben ist, als der Durchmesser von zwei nebeneinanderstehenden
Sonnenscheiben beträgt, d. i. ungefähr 1°. Nach einem Monat hat sich die Sonne
um ungefähr 30° nach 0 von diesem Stern entfernt, und nach 3651 Tagen geht sie
wieder gleichzeitig mit dem Stem durch uuserrt Meridian. Die Sonne hat also
während eines Jahres an der Himmelskngel scheinbar einen Kreis von W nach 0
durchlaufen. Dieser Kreis heißt die scheinbare jährliche Sonnenbahn oder
Ekliptik. Sie ist gegen den Himmelsäquator um 23-J-° geneigt, steht daher bald nörd-
lich, bald südlich von ihm und durchschneidet ihn in den beiden Nachtgleichen- oder
Äquinoktialpunkten. In diesen steht sie am 21. März und am 23. September. Die
Punkte der größten Abweichung der Ekliptik vom Äquator heißen Solstitial- oder
Sonnenwendepunkte (warum?). Während dieser scheinbaren Wanderung geht die
Sonne an zwölf Sternbildern vorüber. Diese heißen: Widder, Stier, Zwillinge,
Krebs, Löwe, Jungfrau, Wage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und
Fische. Sie bilden zu beiden (Seiten der Ekliptik einen Gürtel von 40° Breite und
gehören sämtlich zur Zone der auf- und untergehenden Sterne. Jhre^Namen sind
meist dem Tierreich entlehnt, und daher nennt man den Gürtel dieser Sternbilder
den Zodiakus oder Tierkreis.
Die Länge dieser Sternbilder ist verschieden (Wage 20°, Fische 43°). Vom
Frühlingspunkte aus hat man seit alter Zeit die Ekliptik in zwölf Bogenstücke
von je 30° geteilt. Diese heißen Zeichen der Ekliptik und führen dieselben Namen
wie die Stembilder des Tierkreises. Nach den Jahreszeiten, in denen sie von der
Sonne (scheinbar) durchlaufen werden, teilt man sie ein in
Frühlings | Widder, Stier, Zwillinge,
Sommer l n Krebs, Löwe, Jungfrau,
Herbst j ° ' Wage, Skorpion, Schütze,
Winter j Steinbock, Wassermann, Fische.
Da der Frühlings-Nachtgleichenpnnkt in dem Sternbilde der Fische und der Herbst-
Nachtgleichenpunkt in dem der Jungfrau steht, so decken sich die Zeichen nicht mit
den entsprechenden Sternbildern und sind von diesen zu unterscheidend
B. Wirkliche Bewegungen der Himmelskörper.
§ 14. Der tägliche Umschwung des Himmelsgewölbes und die jährliche
Bewegung der Sonne durch die Ekliptik sind nur Schein.
* Wohl können wir den täglichen Umschwung des ganzen Himmelsgewölbes
beobachten und sehen, wie auch die Sonne täglich ihre Stelle am Himmel verändert
und in die Nähe anderer Steme rückt; dennoch sind beide Bewegungserscheinungen
nur Täuschung und stimmen mit der Wirklichkeit ebensowenig überein wie das, was
der Augenschein von der Gestalt der Erde lehrt. Der scheinbare tägliche Umschwung
der Himmelskugel von 0 nach W wird durch die Achsendrehung der Erde in
westöstlicher Richtung und die von W nach 0 fortschreitende scheinbare jährliche
1 Die Einteilung der Ekliptik in zwölf Zeichen ist zu der Zeit entstanden, als der Früh-
lingspuukt im Sternbilde des Widders lag. Da dieser seine Lage am Himmel verändert,
indem er jährlich um 50{ Bogensekunden gegen W zurückweicht, so ist er aus jenem Stern-
bilde längst herausgerückt. Diese Bewegung nennt man das Vorrücken der Nachtgleichen.
In 25 800 Jahren hat sich der Frühlingspunkt einmal durch die ganze Ekliptik hindurch bewegt.
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