Das Königtum in der Merowingerzeit.
139
der universalistische Politik treibt, Theudebert, auch gleich den imperatorischen
Beinamen Augustus annimmt.
Eine feste Residenz des Königs gibt es noch nicht. Der König hält sich
je nach Belieben und Umständen bald auf diesem bald auf jenem seiner Güter auf.
Daß er am häufigsten in den großen Mittelpunkten der einzelnen Reichsteile
und Teilreiche, wie in Paris, Soissons, Reims, Metz, Orleans verweilt, liegt in
der Natur der Sache; aber selbst dann residiert er öfter noch auf den einzelnen
Königshöfen in der Umgebung dieser Orte als in jenen Orten selbst.
Wo sich der König auch befindet, überall ist er von einem an Zahl be-
deutenden Kreis von Personen umgeben. Bei ihm weilt in der Regel seine
Familie, die Königspsalz beherbergt den Hofstaat und das Gefolge.
Der Hofstaat besteht neben den Hofbeamten und jenen Provinzialbeamten,
die sich gerade für längere oder kürzere Zeit am Hofe aufhalten, aus den
Vertrauenspersonen des Königs, die, ohne eine bestimmte Stelle zu bekleiden,
doch häufig von dem Herrscher um Rat gefragt und zu allerlei Diensten ver-
wandt werden. Da der Hof in jeder Beziehung das Zentrum des Reiches
bildet, so weilen auch die Großen, soweit sie nicht durch ein Amt, das sie ver-
sehen, anderweitig in Anspruch genommen sind, in der Regel am Hofe. Nament-
Itch wird es immer mehr üblich, daß sie ihre Söhne frühzeitig an den Hof
schicken, damit sie dort schon in der Jugend in den Regierungs- und Ver-
waltungsgeschästen geschult werden, um dann bald zu den Hof- und Staats-
ämtern Zutritt zu finden. Diese junge Schar wird als die Hofschule bezeichnet.
In engerer Beziehung zum König als der Hofstaat steht das Königsgefolge,
die Antrustionen. Es ist die direkte Fortsetzung ver Gefolgschaft der Urzeit;
es umgibt den König, leistet ihm persönliche Dienste, wird von ihm zur Er-
ledigung der Regierungsgeschäfte mit herangezogen, erhält von ihm Wohnung
und Unterhalt: die in das Gefolge aufgenommenen Römer werden geradezu
als Tischgenossen des Königs (convivae regis) bezeichnet. Das Gefolge besteht
aus Franken wie Römern, Freien wie Liten; ja selbst Knechten ist der Eintritt
nicht versagt. Natürlich spielt das Gefolge in dem festen Staatsverband des
fränkischen Reiches politisch eine wesentlich geringere Rolle als in dem lose
gefügten Staatswesen der Urzeit und seine Bedeutung mußte sich in absteigender
Linie bewegen, zumal da sich das Königtum immer mehr auf die Beamten und
die Großen angewiesen sah. Im achten Jahrhundert sind die Antrustionen
verschwunden. Sie haben der neuen Einrichtung der Vasallität Platz gemacht,
die, wenn auch aus ganz anderen Wurzeln erwachsen, doch sachlich eine große
Ähnlichkeit mit dem Gefolge zeigte. Wir werden daher anzunehmen haben, daß,
nachdem die Vasallität aufgekommen war und auch beim Königtum Eingang ge-
funden hatte, das alte Gefolge allmählich sich in diese neue Form persönlichen
Dienstes umgewandelt hat und in ihr aufgegangen ist.