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nand, für den Fall aber, daß dieser vorzeitig sterben sollte, unter 
Ausschluß ihres Gemahls auf ihren kaiserlichen Vater. Aber allen 
Teilungsplänen der Mächte zum Trotzt) ernannte Karl II. in seinem 
Testament den bayerischen Kurprinzen zum alleinigen Erben der ge¬ 
samten spanischen Monarchie. Zugleich rief der König seinen jugend¬ 
lichen Nachfolger nach Madrid, damit die Nation ihren zukünftigen 
Herrscher kennen lernen möge. Niemals hat die Geschichte des Hauses 
Wittelsbach einen bedeutungsvolleren Augenblick zu verzeichnen ge¬ 
habt. Die kühnsten, stolzesten Träume Max Emanuels nahmen jetzt 
Gestalt an. Er ließ seinen 6 jährigen Sohn nach Brüssel kommen; 
denn schon wiegte sich eine starke spanische Flotte im Hafen von Ant¬ 
werpen, um den Prinzen von Asturien — so hieß jetzt der künftige 
Beherrscher dreier Weltteile — nach seinem neuen Vaterlande zu 
tragen. Da machte ein unerwartetes Ereignis alle Hoffnungen zu¬ 
nichte: Der Prinz erkrankte schwer und wenige Tage darauf stand 
Max Emanuel an der Leiche seines Sohnes. Alle Ansprüche auf 
Spanien waren damit hinfällig geworden; das Phantom eines wittels- 
bachifchen Königtums in Spanien verflog in die Lüfte. In einem 
neuen Testament erklärte König Karl den 2. Enkel Ludwigs XIV., 
Philipp von Anjou, zum Nachfolger im Gesamtgebiet der spanischen 
Krone. Die Besitzergreifung des spanischen Thrones durch Philipp 
von Anjou rief zwischen Frankreich und Österreich den spanischen 
Erbfolgekrieg hervor. Nach längerem Schwanken entschied sich Max 
Emanuel für den Anschluß au Frankreich, das ihm die Niederlande 
als erbliches Königreich in Aussicht stellte. 
2. Wie sich von allen Leiten das Unglück über Bayern zu¬ 
sammenzog. 
a) D as Mißlingen des Tiroler Feldznges. 
Max Emanuel begann die Feindseligkeiten gegen Österreich-') mit 
Besetzung der Reichshauptstadt Ulm. Im folgenden Jahre vereinigte 
er sich mit den über den Schwarzwald heranziehenden Franzosen 
unter Villars und drang dann in Tirol ein. Binnen einer Woche 
war das ganze Gebiet bis Innsbruck in feiner Gewalt. Dagegen 
standen die treuen Tiroler Gebirgsbanern, die durchaus nicht die ver- 
x) Frankreich, Holland und England setzten zu Haag untereinander fest, 
wie die Teilung Spaniens nach dem Tode Karls II. vorzunehmen sei. 
3) Der Kaiser hatte verschiedene Fürsten des Reiches durch Rang¬ 
erhöhungen zur Hilfeleistung gewonnen. So hatte er für das welsische Hans 
Hannover eine 9. Kurwürde errichten lassen, die Wahl des Kurfürsten August II. 
des Starken von Sachsen aus den polnischen Königsthron gefördert nnd end¬ 
lich eingewilligt, daß sich der prachtliebende Sohn des Großen Kurfürsten, 
Friedrich III., am 18. Januar 1701 in Königsberg als Friedrich I. zum König 
von Preußen krönte. Diese Reichsfürsten sowie England, Holland nnd Por¬ 
tugal traten zur „großen Allianz" zusammen.
	        
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