fullscreen: [Teil 1 = 2. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 1 = 2. Schuljahr, [Schülerband])

— 145 — 
Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Turm. Es stieg die 
enge Wendeltreppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In 
dem Schlosse steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es ihn umdrehte, 
sprang die Thür auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte 
Frau und spann emsig ihren Flachs. „Guten Tag, du altes Mütter— 
chen,“ sprach die Königstochter, „was machst du da?“ „Ich spinne,“ 
sagte die Alte und nickte mit dem Kopfe. „Was ist das für ein 
Ding, das so lustig herumspringt?“ sprach das Mädchen, nahm die 
Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die Spindel 
angerührt, so ging der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich 
damit in den Finger. 
In dem Augenblicke aber, wo sie den Stich empfand, fiel sie auf 
das Bett nieder, das da stand, und lag in einem tiefen Schlaf. 
Und dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloß: der König 
und die Königin, die eben heimgekommen und in den Saal getreten 
waren, sanken nieder und schliefen ein und der ganze Hofstaat mit 
ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stalle, die Hunde im Hofe, 
die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja das Feuer, 
das auf dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten 
hörte auf zu brutzeln, und der Koch, der den Küchenjungen, weil er 
etwas versehen hatte, an den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und 
schlief. Und der Wind legte sich, und auf den Bäumen vor dem 
Schloß regte sich kein Blättchen mehr, alles, was lebendigen Odem 
hatte, ward still und schlief. 
Rings um das Schloß aber begann eine Dornhecke zu wachsen, 
die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloß umzog und 
darüber hinaus wuchs, daß gar nichts mehr davon zu sehen war, 
selbst nicht die Fahnen auf dem Dache. Es ging aber die Sage in 
dem Lande von dem schönen schlafenden Dornröschen; denn so ward 
die Königstochter genannt, also daß von Zeit zu Zeit Königssöhne 
kamen und durch die Hecke in das Schloß dringen wollten. Es war 
aber alle Mühe vergeblich, denn die Dornen hielten sich gleichsam wie 
an Händen zusammen, und die Jünglinge blieben darin hängen, 
konnten sich nicht wieder losmachen und starben eines jämmerlichen 
Todes. 
Nach langen, langen Jahren kam wieder einmal ein Königssohn 
durch das Land und hörte, wie ein alter Mann von der Dornhecke 
erzählte, es sollte ein Schloß dahinter stehen, in welchem eine wunder— 
schöne Königstochter, Dornröschen genannt, schon seit hundert Jahren 
Deutsche Jugend 1. GSoorꝗq Eokortinstitui 10 
für intsrnatonals 
Schulbueforschung 
EBrotne olg 
Schusbue biblonsb
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.