Full text: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

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IV. Aus dem Herzogtum Westfalen. 
aber auch unter den edlen Herren, die sich in ihrem einträglichen 
„Handwerk" so schnöde behindert sahen, sehr viele Feinde. 
3. Ihre Mtglieder. Der oberste Richter einer Freigrafschast 
hieß der Zreigraf. Nur freigeborene Männer konnten zu Richtern 
gewählt werden. Das Gericht hieß Freigericht, die Stätte der 
Tagung der ^reistubl. Der Freigraf wurde'von dem Stuhlherrn 
(Landesherr, Stadt, Stift) eingesetzt. Als 1180 der Erzbischof von 
Cöln Herzog in Westfalen wurde (S. 68), erkannte das westfälische 
Femgericht den Erzbischof als obersten Stuhlherrn an. Die ange¬ 
sehensten freien Männer jedes Gaues standen dem Freigrafen als 
Schöffen zur Seite. Sie hatten unter sich einen uralten Gruß 
üMgeheime Zeichen, woran sie sich erkannten, deshalb wurden sie 
auch „Wissende" genannt. Mit dem Gruß: „Eck grüt (grüße) ju, 
lewe Mann, wat fange ji hie an?" legte der Ankommende seine 
Rechte auf die linke Schulter des andern; dieser antwortete dann: 
„Allet Glück kehre in, wo de Fryenscheppen sin." Sonst bestanden 
ihre Heimlichkeiten noch in drei geheimen Alphabeten, in Er¬ 
kennungszeichen bei Tische und in der Losung. „Stock, Stein, Gras, 
Grein". Die Schöffen mußten sich durch einen Eid verpflichten, 
über alles, was das Gericht betraf, tiefes Stillschweigen zu be¬ 
wahren. Sie schwuren, „die heilige Feme halten zu helfen und zu 
verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vor Schwester 
und Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was die Sonne be¬ 
scheint, der Regen benetzt, vor allem, was zwischen Himmel und 
Erde ist". Die Verletzung des Schöffengeheimnisses wurde durch 
Ausreißen der Zunge und andere Grausamkeiten bestraft. 
4. Ort der Tagung. Die „heimliche" Feme fand nicht, wie 
viele meinen, in düsteren, schaurig beleuchteten Felsenhöhlen oder 
unterirdischen Gewölben statt, wo furchtbare Marterwerkzeuge den 
Geladenen schreckten und schwarz vermummte Richter hinter Larven 
mit schaurig hohler Stimme Recht sprachen. Nein, die Femgerichte 
wurden auf einem Hügel, im Schatten einer Linde, auf freiem 
Felde am Fuße uralter Eichen abgehalten, und zwar am Tage im 
hellen Sonnenschein. Das Freigericht war ein offenes Gericht, zu 
dem jeder Zutritt hatte. Zuweilen aber wurde auch ein „Süllgericht" 
einberufen, das war ein „heimliches", weil nur Wissende daran teil¬ 
nehmen durften. Es fand fönst unter denselben Verhältnissen statt. 
5. Die Ladung. Die Feme urteilte über alles, was gegen den 
Christenglauben, die zehn Gebote, gegen Ehre und alles Recht ist. 
Sie forderte ohne Unterschied des Standes den Angeklagten vor 
ihren Stuhl. Aber auch Ausnahmen fanden statt: „Man soll keinen 
Pfaffen, auch keinen Geistlichen, der geschoren und geweiht, an 
einen Freistuhl laden, auch kein Weibsbild, noch Kinder, die zu 
ihren Jahren noch nicht gekommen sind, auch keinen Inden, noch 
Heiden, noch alle, die den Christenglauben nicht gekannt haben, 
weil sie des Gerichtes nicht würdig sind." Wenn jemand beim Fem¬ 
gericht verklagt war, so wurde er durch den Ladebrief mit sieben
	        
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