Spätere Friedenszeit. 267
Friedrich der Große hat Preußen von 2200 Quadratmeilen mit
2V2 Millionen Einwohnern auf 3500 Quadratmeilen mit fast 6 Millio¬
nen Einwohnern und das Heer von 83000 auf 200000 Mann gebracht.
800 Ortschaften sind unter ihm neu angelegt, die Staatseinnahmen ver¬
dreifacht, und der Staatsschatz enthielt 150 Millionen Mark. Sein Testa¬
ment schloß Friedrich der Große mit dem Worte: „O, möge Preu¬
ßen in höchster Blüte bis an das Ende der Zeiten dauern!"
e. Joseph II. Maria Theresia war schon sechs Jahre vor Fried¬
rich dem Großen gestorben, nachdem sie 40 Jahre mit Umsicht und landes¬
mütterlicher Fürsorge ihres schweren Amtes gewaltet hatte. Ihr Sohn,
Joseph II., seit dem Tode seines Vaters (1765) Kaiser und Mitregent
seiner Mutter, ist einer der edelsten Herrscher aller Zeiten. Auch der geringste
Unterthan konnte ihm sein Anliegen vortragen, jedes schriftliche Gesuch
wurde schnell beantwortet; deshalb war der Kaiser auch vom frühen
Morgen bis zum späten Abend beschäftigt. Nie ging er aus, ohne für
die Armen eine Summe Geldes einzustecken. („Das gute Rezept.")
Staudesunterschiede achtete er wenig. Einer adeligen Bittstellerin, die
ihre eigene Tochter „Fräulein" nannte, antwortete er: „Hab auch ein
Mädel gehabt, ist mir aber gestorben." Auf einer Reise in Mähren
trat er zu einem pflügenden Bauern und pflügte mit eigener Hand
einige Furchen. Den schönen Augarten in Wien, der bisher nur den
Vornehmen zugänglich gewesen war, öffnete er allem Volke zur Belustigung
und setzte über den Eingang desselben die Worte: „Allen Menschen
gewidmet von ihrem Schätzer." Als aber einige Vornehme sich bei ihm
beklagten, daß sie nun keinen Ort mehr hätten, wo sie ungestört unter
ihresgleichen verkehren könnten, antwortete er: „Wenn ich nur unter
meinesgleichen sein wollte, müßte ich in die Kaisergruft der Kapuziner¬
kirche hinabsteigen." Wie strenge der Kaiser das Recht handhabte, zeigt
die Erzählung von dem pflichtvergessenen Amtmann, der die Bauern
warten ließ. Friedrich den Großen verehrte er als „den größten König
und Feldherrn" und sagte ihm bei einer Zusammenkunft in Neiße: „Für
uns giebt es kein Schlesien mehr", worauf Friedrich antwortete: „Ich
denke, wir Deutsche haben lange genug unser Blut untereinander ver¬
gossen; es ist ein Jammer, daß wir nicht zu einem bessern Verständnis
kommen." Arm in Arm sah man die beiden Fürsten lustwandeln, wie
Vater und Sohn.
Sobald Joseph nach dem Tode seiner Mutter Alleinherrscher war,
ging er mit großem Eifer, aber nicht immer mit der nötigen Besonnen¬
heit daran, die kirchlichen und bürgerlichen Verhältnisse Österreichs umzu¬
gestalten. Er gewährte den Gliedern der evangelischen,, Kirche gleiche
Rechte mit den Katholiken, hob ein Drittel aller Klöster Österreichs auf,
ließ die Bibel in die Landessprache übersetzen und führte deutsche Kirchen¬
lieder ein. Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben; Adelige und Geistliche
verloren ihre Steuerfreiheit, und die Rechtspflege sollte fortan ohne
Ansehen der Person geübt werden. Durch diese Neuerungen erbitterte