Full text: [Teil 3 = 6. u. 7. Schulj] (Teil 3 = 6. u. 7. Schulj)

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3. Und saß der Jüngling bei den Büchern, 
ob noch so spät sein Blick auch glitt 
von Blatt zu Blatt hin, eifrig forschend, 
ich hörte doch den leisen Tritt, 
das Lauschen an der Türe hört' ich, 
ich wußte, wer da sorgt und sinnt. 
Hinüber und herüber klang es: 
„Gute Nacht, Mutter!" — „Gute Nacht, Kind!" 
4. Dann kam die Zeit, da ich gesessen 
an deinem Bett, wie lang, wie oft! 
hielt deine bleiche Hand umschlungen 
und hab' verzagend noch gehofft, 
sah dir ins müde, liebe Auge: 
O, komm doch, Schlaf, erquickend lind! 
Er kam; — zum letzten Male klang es: 
„Gute Stacht, Mutter!" — „Gute Nacht, Kind!" 
5. Wie Glockenklang vom Meeresgrunde 
ein Wort durch meine Seele zieht, 
so wehmutsvoll wie Abendstimmen, 
so mild als wie ein Schlummerlied. 
Und kann ich keine Ruhe finden, 
wenn Gram und Sorge mich umspinnt, 
dann hör' ich's raunen, Frieden bringend: 
„Gute Nacht, Mutter!" — „Gute Stacht, Kind!" 
Jakob Löwenberg 
21. Erlkönig. 
1. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? 
Es ist der Vater mit seinem Kind; 
er hat den Knaben wohl in dem Arm, 
er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. 
2. „Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?" 
„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht, 
den Erlenkönig mit Krön' und Schweif?" 
„Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif." 
3. „Du liebes Kind, komm, geh mit mir! 
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir; 
manch bunte Blumen sind an dem Strand, 
meine Mutter hat manch gülden Gewand."
	        
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