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hältnis zu Gott einen anderen Vermittler als unseren Herrn 
Jesum Christum anzunehmen." Die Regierung aber schritt un¬ 
beirrt auf dem betretenen Wege weiter, schloß die geistlichen 
Bildungsanstalten, welche die angeordnete Prüfung verweiger¬ 
ten, hinderte die Besetzung kirchlicher Stellen mit staatsfeind¬ 
lichen Männern und zog die Bischöfe, so oft sie die neuen Ge¬ 
setze verletzten, vor Gericht. Der streitbarste unter den Prälaten, 
der Erzbischof Ledochowski von Posen-Gnesen, wurde ins 
Gefängnis abgeführt und seines Amtes verlustig erklärt, und wie 
ihm so erging es noch vielen anderen katholischen Würdenträ¬ 
gern höheren und niederen Grades. Weil jedoch die verurteil¬ 
ten oder nicht bestätigten Priester fort und fort kirchliche Hand¬ 
lungen verrichteten, welche bei ihrer rechtlichen Ungiltigkeit not¬ 
wendig Verwirrung in die wichtigsten Verhältnisse des bürger¬ 
lichen Lebens bringen mußten, so nahm der Staat den Geistlichen 
durch ein im Februar 1874 vereinbartes Gesetz die Führung 
der Civilstandsregister für Geburten und Sterbefälle ab 
und schrieb als allgemein verbindliche Form der Eheschließung 
die Civileh e vor. Bald nachher hatte der deutsche Reichstag 
über ein Gesetz wegen Verhinderung der unbefugten Aus¬ 
übung von Kirchenämtern und der preußische Landtag über 
ein Gesetz wegen Verwaltung erledigter katholischer 
Bistümer zu beraten, nnd beide Vorlagen fanden die nachge¬ 
suchte parlamentarische Genehmigung, die erstere im April 1874, 
die letztere im Mai 1874. Die Erbitterung im römischen 
Lager kannte jetzt kaum noch Grenzen; sie ging so weit, daß 
ein katholischer Böttchergeselle Namens Kullmann im Som¬ 
mer 1874 auf den Fürsten Bismarck zu Kifsingen einen Mord¬ 
anschlag verübte. Auch der Papst erschien wieder auf dem 
Kampfplatze, indem er ein Rundschreiben („Encyklika") an die 
preußischen Bischöfe richtete, worin er die feit 1871 erlassenen 
Kirchengesetze nach göttlichem Recht für ungiltig erklärte. Die 
Regierung antwortete damit, daß sie im Landtage die Annahme 
dreier neuen Gesetze bewirkte, welche ihr noch schärfere Waffen 
für den Streit mit Rom in die Hände gaben. Kraft des 
„Sperrgefetzes" vom April 1875 wurden sämtliche für die 
Bistümer bestimmten staatlichen Leistungen an Geld und Geldes¬ 
wert eingestellt, bis in jedem einzelnen Sprengel der betreffende 
Bischof oder Bistumsverweser sich schriftlich zum Gehorsam gegen 
den Staat verpflichte. Das „Klo ster g e setz" vom Mai 1875 
schaffte alle in Preußen befindlichen Orden und ordensähnlichen 
Vereine der katholischen Kirche ab, nur diejenigen bestehen las¬ 
send, welche lediglich der Krankenpflege gewidmet waren. Das 
dritte Gesetz vom Juni 1875 brachte die Aufhebung einiger 
Berfassungsparagraphen und entzog damit der Kirche das
	        
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