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B. Brandenburgisch-Preußische Geschichte.
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deutscher Freiheit" genannt. Vollständig wurde die allgemeine Wehrpflicht
jedoch erst im Jahre 1814 durchgeführt.
g) Die geistige und sittliche Hebung des Volkes. Eine Besserung
der Zustände im Lande konnte aber nur dann eintreten, wenn jeder Staats¬
bürger danach strebte, selbst besser zu werden. Dies hatten einsichtige Männer
erkannt; daher suchten sie die Volksbildung zu heben und die guten Sitten zu
fördern. In Berlin hielt Fichte seine berühmten „Reden an die deutsche
Nation". Er suchte dadurch das Volk für das Wahre, Schöne und Gute zu be¬
geistern und mit Liebe für König und Vaterland zu erfüllen. Beim Unterricht
der Jugend wurde darauf Gewicht gelegt, alle Anlagen und Kräfte des Menschen,
sein Denken, Fühlen und Wollen, gleichmäßig zu bilden, wie es der große
Menschenfreund Pestalozzi in der Schweiz lehrte. Ernst Moritz Arndt,
Theodor Körner und Max von Schenkendorf hielten dem Volke seine
Schmach vor und entflammten es durch feurige Lieder zum Kampfe gegen die
Fremdherrschaft. Obwohl Arndt und Stein vor Napoleon nach Rußland
fliehen mußten, nützten sie doch dem Vaterlande, indem sie den Kaiser Alexander
zum Kampfe gegen Napoleon zu bewegen suchten. Schiller hatte zwar Deutsch¬
lands Schmach nicht mehr erlebt; aber seine Mahnung: „Ans Vaterland, ans
teure, schließ dich an; das halte fest mit deinem ganzen Herzen" ging von Mund
zu Mund. Der Turnvater Jahn sorgte dafür, daß die Jünglinge körperlich
geübt und dadurch zum Befreiungskämpfe vorbereitet wurden. Voll Hoffnung
sah jeder Preuße dem Tage der Befreiung des Vaterlandes entgegen.
6. Napoleons Weltherrschaft; sein Zug nach Rußland. Nach dem Frieden zu
Tilsit hatte Napoleon seine Macht fast über ganz Europa ausgedehnt. England konnte
er zwar nicht besiegen; aber er schädigte es dadurch, daß er das ganze Festland von
Europa gegen den englischen Handel absperrte. ^Kontinentalsperre.^ Portugal wider¬
setzte sich dem Befehl, den Handel mit England abzubrechen. Da vertrieb Napoleon
den dortigen König und besetzte das Land. Die Spanier versuchten es, die Herrschaft
Napoleons abzuschütteln; aber er zwang sie wieder zur Unterwerfung. Während dieser
Zeit erhob sich auch Österreich gegen den übermütigen Sieger. Das österreichische
Heer errang auch bei Gr.-Aspern einen schönen Sieg, wurde aber bald darauf von
Napoleon bei Wagram gänzlich geschlagen. Im Frieden mußte Österreich bedeutende
Länder abtreten. Danach brach in Tirol ein Aufstand aus, der Napoleon viel zu schaffen
machte [Andreas Hofer); aber zuletzt blieb er auch hier Sieger. In Preußen versuchte
es Major von Schill, auf eigene Hand im kleinen mit Napoleon Krieg zu führen; er
wurde jedoch mit seiner Reiterschar in Stralsund eingeschlossen und starb dort den
Heldentod. Jetzt stand Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht und beschloß, auch
Rußland zu unterjochen. Mit 600000 Kriegern brach er siegesgewiß auf. Der König
von Preußen und die andern deutschen Fürsten mußten ihm Hilfstruppen stellen.
Beim Durchzug der großen Heerscharen hatte besonders Preußen arg zu leiden. Die
Russen lockten Napoleon tief in das Innere ihres großen Reiches. Er folgte ihnen, weil
er hoffte, in der alten Hauptstadt Moskau gute Winterquartiere und reiche Vorräte
für seine Truppen zu finden. Kaum war er jedoch in die von den Russen verlassene
Stadt eingerückt, so wurde sie an vielen Stellen zu gleicher Zeit angezündet, so daß
an ein Löschen nicht zu denken war. Mitten im Winter mußte Napoleon daher den
Rückzug antreten. Hierbei ereilte ihn das Verderben. Durch Hunger, Kälte, ansteckende