§ 108. Die vier Kaiser des Julisch-Klaudischen Hauses 14—68. 215
scheinlich durch Gift). Der finstere Kaiser aber geriet immer mehr unter
den verderblichen Einfluß des Sejanus, des Präfekten der Prätorianer.
Dieser mit Ehren überhäufte, machtsüchtige Günstling rottete heimlich die
jüngere Nachkommenschaft der kaiserlichen Familie aus. Gleichzeitig steigerte er
das Mißtrauen und die Menschenverachtung seines Gebieters und bewog. ihn zu-
letzt, sich in die Einsamkeit auf die Insel Capri (bei Neapel) zurückzuziehen (26).
Währenddessen führte er selber in Rom eine gewaltthätige Regierung. Als er
aber, um seinem letzten Ziele näher zu kommen, eine Verschwörung gegen den
Kaiser eingeleitet hatte, wurde er zu entehrendem Tode verurteilt. Sein Sturz
riß auch alle diejenigen ins Verderben, die ihm vorher irgendwie nahegestanden
hatten. Tiberius verfiel seitdem in blutdürstige Grausamkeit und fand darüber
im Jahre 37 seinen Tod (durch gewaltsame Erstickung).
Während der Regierung des Tiberius starb zu Jeru-
salem unter Pontius Pilatus, dem römischen Laudpsleger
von Judäa, Jesus Christus den Kreuzestod.
2. Casus Cäsar Ealiguta (37—41), ein Sohn des Germanicus,
wurde unter großen Hoffnungen des Volkes zur Thronfolge berufen.
Aber er erwies sich als ein verschwenderischer und verächtlicher Tyrann
und ward nach kurzer Regierung von den Prätorianern durch Er-
mordung beseitigt.
3. Gl'audius (41—54), ein Bruder des Germanicus, war ein
schwacher und unselbständiger Fürst; er stand zumeist unter der Herr-
schast seiner schurkischen Freigelassenen und seiner verworfenen Frauen,
erst der Meffaliua und später der Agrippina, einer Tochter des Ger-
manicns, bis er von letzterer vergiftet wurde.
Unter Claudius wurde Mauretanien (als Doppelprovinz) zum Römischen
Reiche gezogen, desgleichen die südliche Hälfte von Britannien.
4. Wero (54—68), der Sohn der Agrippina (aus deren früherer
Ehe mit Domitius), war 17 Jahre alt, als er feinem Adoptivvater auf
dem Throne folgte. Der junge Kaifer führte in den ersten Jahren, in
welchen noch Seneca, sein vormaliger Lehrer, und Burrus, der
Prüfekt der Prätorianer, einen günstigen Einfluß auf den Gang der
Staatsgefchäfte übten, eine gute Regierung. Er verfiel aber bald in
elende Genußsucht und blutige Tyrannei.
a) Seine Mordgier. Von einer schlechten Umgebung geleitet, ließ Nero
seine Mutter Agrippina, seine Gattin Octavia (eine Tochter des -Claudius), seinen
Schwager Britanniens, seinen Lehrer Seneca und andere nahestehende Personen
durch Gift oder Mord beseitigen.
b) Der Brand Roms. Im Jahre 64 steckte er Rom in Brand, um sich
an dem großartigen Schauspiel einer untergehenden Stadt zu ergötzen und sich
eine glänzendere Residenz erbauen zu können. Ruchloserweise stellte er aber die
Christen als Schuldige hin und ließ sie unter empörenden Martern sterben
.