12. Frankreich unter Ludwig Philipp.
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Drohungen zur Anerkennung zwingen, indem die französische Regierung,
allerdings auf Kosten des Grundsatzes der Nichtintervention, einem bewaff¬
neten Einfalle geflüchteter spanischer Liberalen in ihr Heimatland thätigen
Vorschub leistete, weshalb Ferdinand VII., feig wie immer Angesichts der
Gefahr, sich vor dem Anfangs mit Uebermuth behandelten Julikönigthum
demüthigte.
Das Verfahren der französischen Regierung Spanien gegenüber mochte
indessen eine Entschuldigung finden in der inzwischen ausgebrochenen bel¬
gischen September-Revolution (s. Nr. 15). Diese galt, trotz der Verschie¬
denheit der Motive und des Charakters, für eine Tochter der französischen
Revolution, die Belgier wurden, als ein sprachverwandtes Volk, für halbe
Franzosen angesehen, und man zweifelte keinen Augenblick, daß der Losreißnng
Belgiens von Holland die Vereinigung desselben mit Frankreich folgen
werde, für welches man bei den Belgiern die wärmsten Sympathieen voraus¬
setzte. Ludwig Philipp, der wohl einsah, daß die vier Mächte, welche das
Königreich der Niederlande geschaffen hatten, um keinen Preis eine Ver¬
einigung Belgiens mit Frankreich zugeben würden, lehnte die dessallsigen
Anträge sowohl für sich ab, als für seinen zweiten Sohn, den Herzog von
Nemours (den der belgische Congreß mit der Mehrheit einer einzigen Stimme
zum Könige der Belgier gewählt hatte), und zwar, wie er selbst ohne Um¬
schweife erklärte, im Interesse des Weltfriedens.
Im Anfange des Jahres 1831 hatte sich die legitimistische Partei von
ihrem Julischrecken so weit wieder erholt, daß sie ihre Stärke zu versuchen
wagte, und zwar durch eine prunkvolle Feier des Todestages des Herzogs
von Berry (14. Febr.). Die darüber erbitterte Volksmasse brach in die Kirche
St. GermaiN l'Auxerrois ein, zertrümmerte Altar, Kanzel, Beichtstühle und
Heiligenbilder und stürmte am folgenden Tage die Wshnung des geistlichen
Oberhirten von Paris, des Erzbischofs üuelen, der schon in den Julitagen
einen Angriff bestanden hatte. Ludwig Philipp wurde um so leichter der
Mitverantwortlichkeit für jene Gewaltthaten, welche die Regierung nicht ver¬
hindert hatte, beschuldigt, als er dem Tumulte ein Zugeständniß dadurch
machte, daß er die bourbonischen Lilien, die mit den Kreuzen auf den
Kirchen zerstört worden waren, aus seinem Wappen entfernte. Der Libe¬
ralismus sah darin einen neuen Beweis des Bruches mit einer verhaßten
Vergangenheit, der dem Könige zum Verdienste angerechnet wurde.
Als im Anfange des Jahres 1831 in Modena, Bologna und Parma
Aufstände ausgebrochen waren (s. Nr. 19), in denen das französische Volk
eine neue Wirkung der Juli-Revolution erblickte, und Oesterreich in ent¬
schlossenem Tone den Grundsatz der Nichteinmischung für Italien verwarf,
glaubte auch das französische Ministerium, mit einziger Ausnahme des
Minister-Präsidenten, zu Gunsten Italiens nicht länger ans dem Grund¬
sätze der Nichtintervention bestehen zu müssen, und Soffitte (der sich schon mit