116 18. Vorrede u. Erstes Kapitel aus Friedrichs des Großen Geschichte des Siebenj. Krieges.
bei allen menschlichen Werken lehrt, daß selbst die besten Anstalten in Verfall ge-
raten ober gar unbrauchbar werden, wenn man sie nicht fortwährend im Auge behält,
oder wenn die, die zu deren Überwachung berufen sind, nicht auf die ersten Grund-
fätze, die deren Fundament bilden, zurückgeführt werden, so ward die Anordnung
getroffen, daß alle drei Jahre eine allgemeine Untersuchung aller obertt Gerichts¬
höfe stattfinden solle, um die Beobachtung der neuen Gesetze aufrechtzuerhalten
und die Rechtsoffizianten, die ihre Pflicht versäumt haben sollten, zu bestrafen. Diese
neue Justizordnung befestigte das Glück der Bürger, indem sie ihnen das beruhigende
Gefühl gab, daß fortan der Besitz sicher und gewiß sei, daß einzig das Gesetz regiere,
und daß jedermann unter dem Schutze dieses Gesetzes in Frieden leben könne.
So sehr auch der verstorbene König sich bemüht hatte, die Einkünfte des Staates
zu ordnen und zu regeln, so hatte er doch nicht alles tun können. Er hatte weder
Zeit noch Mittel, ein so großes Werk zu vollenden, und ungeheuer vieles blieb noch
zu vervollkommnen durch Urbarmachung der Ländereien. Errichtung von Mauu-
fafturen, Ausdehnung des Handels und Belebung des Gewerbfleißes. Die ersten
Regierungsjahre des Königs gehörten dem Kriege an, und er konnte erst, nachdem
er nach außen die Ruhe gesichert hatte, seine Aufmerksamkeit auf das Innere
wenden.
Der Oder entlang, von Swinemünde bis Küstrin, gab es große Sumpfgegenden,
die vielleicht bort jeher nur Wildnisse waren. Es ward ber Plan gemacht, sie urbar
zu machen. Ein Kanal warb bon Küstrin nach Wriezen gegraben, ber bas Wasser
aus bem Snmpsboben abzog, auf bem sich kurze Zeit nachher 2000 Familien nieder-
ließen. Man erweiterte solche Unternehmungen von Schwebt bis über Stettin
hinaus, utib 1200 Familien fanben ba ein bequemes unb reichliches Leben; fo ent¬
stand eine neue kleine Provinz, der Unwissenheit und Trägheit durch Fleiß abge¬
wonnen. Den ziemlich bedeutenden Wollfabriken fehlte es an Spinnern; man ließ
solche von außerhalb kommen und fetzte sie in verschiebene neue Dörfer, jebes zu
200 Familien. Im Magdeburgischen war es seit undenklichen Zeiten Gebrauch, daß
die Bewohner des Vogtlandes herüberkamen, um bei der Ernte zu Helsen und dann
wieder nach Hause zurückkehrten. Der König gab ihnen im Magdeburgischen An-
siedlnngsplätze und hielt somit eine große Menge dieser Fremden in seinen Staaten
fest. Mittelst der erwähnten verschiedenen Verfügungen erhielt das Land während
des Friedens einen Zuwachs von 280 Dörfern1.
Bei der Sorge für das platte Land wurden aber die Städte nicht vernachlässigt.
Der König baute eine neue an der Swine, deren Namen sie trägt, und legte da zugleich,
mittelst Ausgrabung des Kanals und Reinigung des Wasserbeckens, einen Hasen an.
(Stettin gewann dadurch den Zoll, den man früher den Schweben auf ber Durch¬
fahrt burch bie Peene bei Wolgast zahlen mußte, was viel bazu beitrug, Stettins
Hanbel blühenber zu machen. Auch würben hierburch viele Frembe herbeigezogen.
Man errichtete in allen Stäbten neue Manufakturen; bie kostbarem Stoffe aber unb
der feine Samt fanden ihren angemeffenften Platz in Berlin; leichter Samt und glatte
Zeuge wurden in Potsdam fabriziert. Splittgerber lieferte allen Provinzen Zucker,
den er in Berlin2 raffinieren ließ. Eine Barchentfabrik brachte bie Stadt Branden-
1 In Pommern und der Kur mark wurden neue Dörfer errichtet, und große pommerfche
Waldstrecken nicht minder als viele große Sandflächen nach und nach in Ackerland umge¬
wandelt. — Von 1748 bis 1785 hob sich die Bevölkerung von Pommern um 50 000 Seelen,
fast den vierten Teil aller Einwohner. (Ranke 407.)
2 Die erste Zuckerrasfinerie errichtete im Jahre 1749 das Haus Splittgerber in Berlin.