16
Bilder aus der älteren deutschen Geschichte.
und den Mann zerschmettern, der die Axt jetzt an den Baum legte, um
ihn zu fällen. Tiefer und tiefer drang dieselbe in den knorrigen Stamm,
und immer lauter dröhnten die Schläge durch den stillen Wald. End¬
lich sank der alte Baum mit einem furchtbaren Krach zu Boden. Seine
Krone war zerbrochen und der Stamm in vier Stücke zerspalten. Kein
Blutstropfen war aus feinem Marke hervorgequollen, was nach dem
heidnischen Glauben der Fall sein sollte, falls der Baum verletzt werden
würde. Thor, der Gott des Donners, hatte auch kein sichtbares Zeichen
feines Zornes gegeben; im Gegenteil, die Sonne schien so freundlich,
als wolle sie sich über diese mutige That herzlich freuen. Jetzt waren
auch die hartnäckigsten Herzen überwunden, denn sie hatten sich von der
Ohnmacht ihrer Götter in deutlichster Weise überzeugt. Sie fallen auf
ihre Kniee und heben ihre Hände betend auf zu dem Gott, von dem
Bonifazius schon lange in ergreifenden Worten gezeugt hat. Aus dem
Holz der Eiche bauete Bouifazius ein Gotteshaus. Mehr und mehr
verschwanden im deutschen Land die Götzenaltäre, und Kirchen und
Kapellen entstanden, in denen man den allmächtigen Gott verehrte. Weil
Bonifazius durch seinen ungemein freudigen Eifer, sowie durch seinen
nie rastenden Fleiß für die Verbreitung des Evangeliums in Deutschland
so unendlich viel gethan hatte, ernannte ihn der Papst zunt Erzbifchof
von Mainz und unterstellte seiner Aufsicht die Kirchen Deutschlands.
Schon lange vor der Berufung in das genannte hohe Amt hatte ihm
der Papst dadurch den Dank ausgedrückt, daß er ihm den Ehrennamen
„Bonifazius" beilegte, welcher „Wohlthäter" bedeutet. (Weshalb?)
5. Des Bonifazius letzte Tage. Der mutige Mann sehnte sich
aber noch nicht nach Ruhe, noch einen Wunsch trug er auf dem Herzen.
Er wollte noch einmal zum Friesenvolke ziehen; vielleicht würde es ihm
jetzt gelingen, sie zu Christo zu führen. — Um seinen Herzenswunsch zu
erfüllen, begab sich der 73 jährige Greis in das Land der Friesen. Sein
Werk schien auch jetzt mit Erfolg gekrönt zu sein, denn viele hörten ihm
zu und begehrten die heilige Taufe. Am nahen Pfingftfeste sollte der
Taufakt ausgeführt werden. Um diese Zeit hatte er sein Lager an der
Borne, einem Flüßchen Frieslands, aufgeschlagen. In der Morgenfrühe
des nächsten Tages sollten die Bekehrten die Taufe empfangen. Kaum
grauete der Tag, als eine Schar roher Heiden erschien. In ihren
Händen trugen sie große Keulen, und mit lautem Geheul stürmten sie
auf das Zelt des Bouifazius zu. Dieser trat ihnen entgegen. Noch
meinte er, es wären die erwarteten Täuflinge, aber bald wußte er, daß
fein Tod nahe sei. Die Begleiter des Helden griffen zu den Waffen,
um den geliebten Mann zu schützen; doch er rief ihnen zu: „Lasset ab