Full text: Das Alterthum (Bd. 1)

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b. Die Ebene im Süden des Königskanals oder Baby¬ 
lonien, in der Bibel Sinear genannt, gegen 500 QM. gross. 
In dem regenlosen Lande würde der Boden unfruchtbar sein, 
wenn nicht die beiden Ströme das Land bewässerten. Die 
flachen Ufer des Euphrats sind meistens bis an den Rand von 
einer grossen Wassermasse angefüllt, welche, wenn der Schnee 
der armenischen Berge im Mai und Juni zu schmelzen beginnt, 
langsam Übertritt und das Land überströmt. Beim Tigris, 
welcher ein tieferes Bette und einen schnelleren Lauf hat — 
daher sein biblischer Name ,der Pfeil‘ —, tritt die Ueber- 
schwemmung stürmisch und plötzlich ein. Die beiden Flüsse 
lassen zwar nicht, wie der Nil in Aegypten, einen befruch¬ 
tenden Schlamm zurück, aber die Bewässerung allein reicht 
aus, um eine wunderbare Fruchtbarkeit des Bodens zu er¬ 
zeugen. Durch diese Verhältnisse des Landes wurde der Scharf¬ 
sinn der Bewohner geweckt. Sie mussten nicht blos durch 
zahllose Kanäle, welche vom Euphrat zu dem tiefer gelegenen 
Tigris führten, durch Wasserbecken und Schöpfmaschinen das 
befruchtende Element über das ganze Land verbreiten, sondern 
auch die beiden Ströme, um die Ueberschwemmung zu regeln, 
durch Dämme einschliessen. Der Boden lohnte diese Mühe 
durch einen ausserordentlichen Ertrag. Der Weizen trug 200-, 
ja 300fältige Frucht, und seine Blätter waren vier Finger breit. 
Die Hauptstadt Babyloniens war Babylon oder Babel 
d. h. Stadt des Baal. Sie war in einem Rechteck gebaut, 
dessen Umfang nach Herodot 480 (nach Ändern 360) Stadien 
oder 12 Meilen betrug. Die äussere Ringmauer, 200 Fuss hoch 
und 50 Fuss dick, schloss einen Flächenraum ein, welcher 
etwa siebenmal so gross war als der des heutigen Paris; die 
innere Mauer umgab eine Fläche, welche an Umfang etwa 
dem heutigen London gleichkam. Indess war sowohl in der 
inneren als in der äusseren Stadt viel Ackerland, damit die 
grosse Festung bei einer etwaigen Belagerung desto leichter 
mit Lebensmitteln versorgt werden könne. Die Stadt lag an 
beiden Seiten des Euphrats, dessen hoch vermauerte Ufer durch 
eine Brücke verbunden waren. Auch ein Tunnel führte unter 
dem Strome her, um die königlichen Paläste in den beiden 
Stadttheilen zu verbinden. An dem Ufer lagen auf einem
	        
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