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Feinde näher als wir, hatten auch den Alarmbefehl früher erhalten, denn
das Oberkommando der Maasarmee befand sich bei ihnen. Sie hatten also
einen bedeutenden Vorsprung vor uns und mußten den Feind früher er¬
reichen. Dies und der vorn hörbare Schlachtenlärm trieb uns zur Eile an.
Zwischen Villers-Cernay und Givonne verschleierte eine bewaldete
Höhe die Einsicht in die feindliche Stellung. Unsere Gardefüsiliere ver¬
trieben von dort die wenigen feindlichen Vorposten mit leichter Mühe,
und wir konnten das Wäldchen durchschreiten und dem Feinde jenseits
Auge in Auge sehen.
In einer tiefen Schlucht zu unsern Füßen lagen mehrere Dörfer und
Gehöfte bis Bazeilles an der Maas. Jenseits dieser Schlucht stand der
Feind in und hinter Erdwerken auf dem Talrande des Flüßchens Givonne,
und hinter dem Talrande erhob sich ein Berg, Bois de la Garenne genannt,
dessen südlicher Teil bewaldet ist, dessen nördlicher kahler Teil mit seinem
höchsten Punkte, dem Calvaire d'Jlly, die ganze Gegend überragt. Vom
Calvaire d'Jlly senkt sich das Gelände nach rechts (Norden) bis zum Dorfe
Jlly am Fuße des unwegsamen Ardenner Waldgebirges, das die belgische
Grenze bildet. Von dem jenseitigen Rande der Schlucht vor uns sprühten
zahllose Kanonen und Mitrailleusen Tod und Verderben auf die links von
uns in den Kampf tretenden Sachsen. Jetzt war der Tag der Vergeltung
gekommen. Wir zahlten die Hilfe zurück, die uns die Sachsen vor 14 Tagen
bei St. Privat geleistet.
Zunächst flogen die Adjutanten, und es hieß „Korpsartillerie vor!"
Alle Divisionen beeilten sich auch, ihre Geschütze ins Feuer zu bringen. Die
ersten Batterien der ersten Gardedivision stellten sich an dem Saume des Waldes
auf, den die feindlichen Vortruppen soeben verlassen hatten, und flankierten
und vertrieben die feindlichen Mitrailleusen, welche die Sachsen beschossen.
Da wurden aber auch die Franzosen am Bois de la Garenne und auf dem
Calvaire d'Jlly lebendig und feuerten von dort mit so viel Geschütz, als nur
Platz hatte. Unsere zuerst ins Feuer gebrachten Batterien hatten anfangs
einen harten Stand. Aber bald ward es möglich, auch unsererseits mehr
Geschütze aufzustellen. In wenig mehr als zwei Stunden hatten die Batterien
den drei Meilen langen Weg zurückgelegt. Die steilen Hänge mit weichem,
schwerem Boden machten große Schwierigkeit, als die Kanonen in Stellung
gebracht werden sollten. Die Kanoniere, abgesessene Husaren und Garde¬
füsiliere halfen ziehen und schieben, denn die Zugpferde waren durch den
schnellen, meilenlangen Lauf außer Atem und allein nicht mehr imstande, die
schweren Geschütze den Hang hinaufzuziehen. So verging keine weitere halbe
Stunde, und 90 Geschütze der Garde antworteten dem Feinde. Es entspann
sich nun hier eine von jenen Kanonaden, unter deren Schutz der Führer
weitere Entschlüsse faßt und über die Truppen verfügt.