Full text: Brandenburgisch-preußische Geschichte

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Uiertev Zeitraum. 
Die Lönige von Preußen Deutschlands Kaiser. 
Kaiser Wilhelm I., 18. Januar 1871 bis 9. März 1888. 
1. Inzwischen hatte sich in Versailles, wo der König Wilhelm I. 
während der Belagerung von Paris sein Quartier aufgeschlagen 
hatte, ein außerordentlich bedeutsames Ereignis vollzogen. Deutsche 
Staatsmänner hatten schon früher über eine Vereinigung der Süd¬ 
staaten mit den norddeutschen Bundesgenossen beraten, und ihre 
Beschlüsse fanden die Zustimmung des norddeutschen Bundestages 
und der Vertreter der Südstaaten. Danach lief ein Schreiben des 
Königs von Bayern in Versailles ein, worin König Wilhelm I. 
ersucht wurde, die Einigung Deutschlands vollständig zu machen 
und als Haupt des neuen Reiches die Kaiserwürde zu übernehmen. 
Sämtliche Bundesgenossen stimmten dem Vorschlage zu, und am 
18. Januar 1871 erfolgte im Schlosse zu Versailles die Ausrufung 
des Königs zum deutschen Kaiser. — Als solcher ist er oberster 
Kriegsherr und hat über Krieg und Frieden zu entscheiden. Die 
Reichsgesetzgebung wird bewirkt durch den Bundesrat (b. i. durch 
die Vertreter der einzelnen Regierungen) und den Reichstag. Die 
Mitglieder desselben werden unmittelbar in geheimer Abstimmung 
vom Volke gewählt, und zwar kommt auf je 100 000 Einwohner 
ein Vertreter. An der Spitze des Buudesrates steht der vom 
Kaiser ernannte Reichskanzler. Der erste war Fürst Otto von 
Bismarck, der in Verbindung mit dem preußischen Kriegsminister 
Gras Albrecht vou Roon und dem Schlachtendenker Graf Hellmut 
von Moltke zu deu großen Erfolgen der Jahre 1864, 66 und 
70/71 in hervorragender Weise mitgewirkt hat. Kaiser Wilhelm 
zeichnete die Bemühungen dieser Männer sehr treffend mit den 
Worten: „Sie, Kriegsminister von Roon, haben uus das 
Schwert geschürft; Sie, General von Moltke, haben es geleitet, 
und Sie, Graf von Bismarck, haben feit Jahren durch die Leitung 
der Politik Preußen auf seinen jetzigen Höhepunkt gebracht." 
* Albrecht von Roon» 1803 auf dem Gute Pleushagen bei Kolberg 
geboren, trat, nachdem er als Kadett ausgebildet worden, 1821 in das Heer. 
Wegen seiner außerordentlichen Tüchtigkeit wurde er frühzeitig Lehrer ber Kriegs¬ 
schule. Ju dem badischen Feldznge und noch mehr als Regimentschef zu Köln 
trat er dem späteren König und Kaiser Wilhelm naher. Dieser betraute Roon 
mit ber Ausgabe, einen Plan zu entwerfen, in welcher Weise bas preußische 
Heerwesen ueu unb zweckmäßig eingerichtet werben müsse. Dieser Entwurf 
würbe bann von bem Prinzregenten selbst einer Umarbeitung unterzogen, uud 
im Dezember 1859 Roon zum Kriegsminister berufen. Das preußische 
x) A. (270, 271) 272.
	        
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