Full text: Von 102 vor Chr. bis 1500 nach Chr. (Th. 1)

187 
hier dahin, die Ordnung herzustellen und nach allen Seiten zu sichern. 
Sichtlich erhoben sich diese Länder, und Heinrichs Einrichtungen hier dienten 
auch den anderen Ländern zum Beispiel und Muster. 
Aber was half alles Bauen und Schaffen, wenn es nicht gelang das 
Reich dauernd gegen seine äußeren Feinde, und vor Allem gegen die Ungarn 
zu schützen? So muthlos man durch die immer erneuten Niederlagen*) ge¬ 
worden war, verzweifelte Heinrich doch nicht an der Kraft seines Volkes, 
und dem tapferen Manne half das Glück. Denn wohl war es ein Glück, 
daß die Ungarn die deutschen Länder diesseits des Rheins gerade damals 
längere Zeit verschonten, indem sie ihre Angriffe hauptsächlich auf Italien, 
das Westfrankenreich und Lothringen richteten. Aber im Jahre 924 er¬ 
schienen sie von Neuem und wandten sich gegen Sachsen. Alles, wohin 
sie kamen, wurde verwüstet. Die Burgen und festen Plätze, die Klöster und 
Kirchen, die Wohnungen des armen Landmannes wurden eingeäschert. Alt 
und Jung, Mann und Weib erwürgt; wieder konnte man an den Rauch¬ 
wolken und dem Feuerscheine am Himmel die Straßen verfolgen, welche 
der furchtbare Feind zog; wieder flüchtete man sich in das Dickicht der 
Wälder, auf die Spitzen der Berge und in verborgene Höhlen. „Es ist 
besser hiervon zu schweigen," sagt Widukind, „als durch Worte das Leid 
zu steigern."**) 
König Heinrich wagte nicht dem überlegenen Feinde im offenen Kampfe 
zu begegnen. Er hatte früh den Krieg gegen denselben kennen gelernt und 
glaubte nicht, daß sein Heer ihm gewachsen sei. Wohl war jeder freie 
Sachse nach vollendetem dreizehnten Jahre zur Landwehr verpflichtet und 
mußte gegen einbrechende Feinde die Waffen ergreifen; auch galten dem 
Buchstaben nach noch die alten Kriegsordnungen des fränkischen Reichs, 
wonach jeder freie Mann, wenn er mindestens fünf Hufen Landes befaß, 
zum Heerbann sich persönlich zu stellen hatte und die kleineren Grundbesitzer 
gemeinschaftlich einen Streiter ausrüsten sollten. Aber diese Ordnungen 
waren in Verfall: die Zahl der freien Leute hatte sich in den unglücklichen 
Zeiten bedeutend vermindert; nur selten brachte man den Heerbann zu¬ 
sammen, und wenn er sich sammelte, waren es Schaaren, die den Krieg 
nicht verstanden. König Ludwig das Kind und selbst Heinrich konnten, 
wie erzählt wird, nur durch Androhung der Todesstrafe den Heerbann auf¬ 
bringen. Der Adel lebte freilich im steten Gebrauch der Waffen und focht 
seine Fehden mit kampfgeübten Vasallen und Dienstleuten aus; auch waren 
der Fehden leider genug zu diesen Zeiten in den deutschen Ländern gewesen, 
und selbst Sachsen war von ihnen nicht unberührt geblieben. Aber in 
solchen Kämpfen galt es durch Muth und List im Handgemenge mit Wenigen 
zu entscheiden, und diesen Krieg im Kleinen verstand man recht wohl: doch 
in offener Feldschlacht einem an Zahl überlegenen Feinde zu begegnen, ein 
*) Die Raubeinfälle der Ungarn in Deutschland begannen unter dem letzten 
Karolinger; die Ostmark, Barern litten schwer unter denselben; 908 suchten sie 
Sachsen heim, darauf Schwaben. 
**) Eine Schilderung eines Ungarneinfalles giebt in lebendigster Anschaulichkeit 
der Mönch Ekkehard IV. von St. Gallen, welche wir hier nach G. Freytag, I. 
S. 379 ff. folgen lassen: 
„Unser Abt Engilbert hatte von König Heinrich die Abtei erhalten und ihm 
Treue geschworen, und kehrte in Ehren entlassen zu uns zurück, als ein großes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.