Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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Hub bittet dich — verzeih! mir fällt's zu sagen hart; 
Doch meinem Herrn den Mund so wie den Arm zu lehnen 
Ist meine Pflicht — um vier von deinen Backenzähnen 
Und eine Handvoll Haar aus deinem Silberbart." 
14. Er spricht's und schweigt und steht gelassen, 
Des Sultans Antwort abzupassen. 
Allein wo nehm' ich Atem her, den Grimm 
Des alten Herrn mit Worten euch zu schildern? 
Wie seine Züge sich verwildern, 
Wie seine Nase schnaubt? mit welchem Ungestüm 
Er auf vom Throne springt? wie seine Augen glotzen, 
Und wie vor Ungeduld ihm alle Adern strotzen? 
15. Er starrt umher, will fluchen und die Wut 
Bricht schäumend jedes Wort an seinen blauen Lippen. 
„Auf, Sklaven! reißt das Herz ihm aus den Rippen! 
Zerhackt ihn Glied für Glied! zapft sein verruchtes Blut 
Mit Pfriemen ab! weg mit ihm in die Flammen! 
Die Asche streut in alle Winde aus, 
Und seinen Kaiser Karl, den möge Gott verdammen! 
Was? Solchen Antrag? Mir? In meinem eignen Haus? 
16. Wer ist der Karl, der gegeu mich sich brüstet? 
Und warum kommt er nicht, wenn's ihn 
So sehr nach meinem Bart und meinen Zähnen lüstet, 
Und wagt's, sie selber auszuziehn?" 
„Der Mensch muß unter seiner Mütze 
Nicht richtig sein," versetzte ein alter Chan; 
„So etwas allenfalls begehrt man an der Spitze 
Von dreimal hunderttausend Mann." 
17. „Kalif von Bagdad," spricht der Ritter 
Mit edelm Stolz, „laß alles schweigen hier 
Und höre mich! Es liegt schon lange schwer ans mir, 
Karls Auftrag und mein Wort. Des Schicksals Zwang ist bitter. 
Doch seiner Oberherrlichkeit 
Sich zu entziehn, wo ist die Macht auf Erden? 
Was es zu thun, zu leiden uns gebeut, 
Das muß gethan, das muß gelitten werden. 
18. Hier steh' ich, Herr, ein Sterblicher wie du, 
Und steh' allein, mein Wort trotz allen deinen Wachen 
Mit meinem Leben gut zu machen. 
Doch läßt die Ehre mir noch einen Antrag zu. 
Entschließe dich von Mahomed zu weichen, 
Erhöh das heil'ge Kreuz, das edle Christenzeichen, 
In Babylon und nimm den wahren Glauben an, 
So hast du mehr, als Karl von dir begehrt, gethan. 
19. Dann nehm' ich's auf mich selbst, dich völlig loszusprechen 
Von jeder andern Forderung, 
Und der soll mir zuvor den Nacken brechen, 
Der mehr verlangt! So einzeln und so jung 
Buschmann. III. 2. 
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