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schmerzlich empfand nun Mendelssohn die Einsamkeit und im Mai 1761 verlobte
er sich mit Fromet Guggenheim aus Hamburg. Während seines Aufenthaltes
in der Elbstadt trat er in freundliche Beziehung zu dem Rabbiner Jonathan
Eybeschütz, der, von Metz dorthin berufen, ein scharfsinniger talmudischer
Gelehrter war und von Jakob Emden, dem gelehrten Sohne des Zewi Asch-
kenasi, des heimlichen Sabbatianismus beschuldigt wurde, was einen mehrjährigen
lebhaft geführten Streit zur Folge hatte. Eybeschütz wusste Mendelssohn seinem
wahren Werth nach zu schätzen.
Mendelssohn führte 1762 seine Braut heim und in den Flitterwochen war
er mit der Lösung der Preisfrage „über die Evidenz in den metaphysischen
Wissenschaften“ beschäftigt; sie wurde entscheidend für ihn, denn mit ihr
errang er den ersten akademischen Preis, während Kant nur den zweiten
erhielt.
Damals trat er in besonders innigen Verkehr zu Thomas Abbt, dem jungen
Consistorialrath zu Bückeburg, der sich beständig mit peinigenden Gedanken
trug und mit Mendelssohn einen Briefwechsel über die Bestimmung des Menschen
anknüpfte. Bald starb der vortreffliche Abbt in der Blüte des Lebens, und
Mendelssohn entschloss sich nun, ihm ein Denkmal zu setzen. So entstand sein
Buch „Phädon, oder über die Unsterblichkeit der Seele“ (1767). Der Phädon,
in dem er die Gründe für die Unsterblichkeit der Seele gesprächsweise entwickelt,
war von ungeheuerer Einwirkung. Die vollendete Form, die Eleganz und Klar¬
heit der Behandlungsweise verschafften ihm einen grossen Leserkreis; in kurzer
Zeit erlebte er mehrere Auflagen und nach kaum einem Jahrzehnt war er in die
meisten lebenden Sprachen, sogar ins Hebräische übersetzt. Durch den Phädon
war Mendelssohn eine deutsche Berühmtheit geworden; jeder rechnete es sich
zur Ehre, mit dem „deutschen Plato“, wie Mendelssohn fortan hiess, zu sprechen,
mit ihm in Correspondenz zu treten; die ersten Männer Deutschlands warben um
seine Freundschaft: Hamann, Herder, Gleim, Jacobi, Weisse, Iselin, Zimmermann
und viele Andere, selbst Fürsten traten in nähern Verkehr zu ihm.
Unter den vielen Fremden, die den Philosophen in seinem Comptoir auf¬
suchten, war auch der schweizer Geistliche Johann Caspar Lavater, dessen zu¬
dringlicher Bekehrungsversuch ihm viel Herzleid bereitete. Im Jahre 1769 über¬
setzte Lavater nämlich Bonnet’s Schrift: „Untersuchung der Beweise für das
Christenthum“ und forderte in der gedruckten Widmung Mendelssohn auf, diese
Schrift zu widerlegen oder zu thun, was Klugheit, Wahrheitsliebe und Redlich¬
keit zu thun gebieten. Mendelssohn wies mit vielem Takt, aber auch mit Ent¬
schiedenheit dieses Ansinnen zurück. Er befand sich in einer Lage, wie sie
Lessing in seinem Nathan bei dessen Stellung zu Saladin’s Frage zeichnete.
Durch eine ruhige und versöhnende Haltung wusste er die verschiedenen Gegner,
die an diesem, alle Gebildeten interessirenden Kampfe sich betheiligten, zu ent¬
waffnen. Allein Lessing glaubte dem Freunde eine Genugthuung verschaffen zu
müssen. Diesem Vorfall verdankt die deutsche Literatur eines .ihrer herrlichsten
Producte: „Nathan der Weise“. Der ganze Charakter Mendelssohn’s ist im
Nathan gezeichnet, ebenso sind die Vorbilder für die ändern Personen des Dramas
dem Hause und der Umgebung Mendelssohn’s entnommen.