Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

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rung des Reiches!" Von Stund an lebten sie wie Brüder zu¬ 
sammen, aßen an einem Tisch, schliefen in einem Bett, und 
wenn einer abwesend war, besorgte ihm der andere seine Ge¬ 
schäfte und behütete das Land. 
26. Kaiser Sigismund und die Husfiten. 
1. Die goldene Bulle (1356). — Weil gar oft Streit 
entstand unter den deutschen Fürsten, wer von ihnen berechtigt 
sei, an der Wahl des Kaisers teilzunehmen, gab der Nachfolger 
Ludwigs von Bayern, Kaiser Karl IV., ein wichtiges Reichs¬ 
gesetz, das diesen verderblichen Streitigkeiten ein Ende machen 
sollte. Man nannte dies Gesetz die goldene Bulle. Darin 
wurde bestimmt, daß sieben Fürsten allein das Recht haben 
sollten, den Kaiser zu wählen, nämlich drei Erzbischöse und vier 
weltliche Fürsten. Diese sieben hießen daher Kurfürsten, 
d. H. Wahlfürsten, und waren von allen die angesehensten. 
Aber auch bei den späteren Kaiserwahlen kam es noch manchmal 
zu Zwietracht und Parteiung. Nicht lange nach Karls IV. 
Tode hatte das Reich sogar eine Zeitlang drei Kaiser, bis 
endlich Karls Sohn Sigismund allgemein anerkannt wurde. 
2. Johann Huß. — Zur Zeit dieses Kaisers Sigis¬ 
mund war die christliche Kirche kläglich in sich zerrissen und 
zerrüttet. Drei Päpste stritten sich um die Herrschaft; jeder 
von ihnen that seine beiden Widersacher samt ihren Anhängern 
in den Bann, und so lag die ganze Christenheit unter Fluch und 
Zwietracht. Dazu kam noch, daß die Priester und Mönche in 
tiefe Sittenverderbnis versunken waren. Was Wunder, daß 
alle Welt dringend nach einer Verbesserung der kirchlichen Zu¬ 
stände verlangte! Am eifrigsten erhob sich gegen die Schäden 
in der Kirche der fromme und gelehrte Johann Huß, Pre¬ 
diger und Professor an der Hochschule zu Prag in Böhmen. Er 
predigte ohne Scheu gegen das hoffärtige und zuchtlose Leben 
der Bischöse und Priester, gegen die übermäßige Macht und die 
Anmaßungen des Papstes und gegen die kirchlichen Satzungen, 
welche sich nicht auf die heilige Schrift gründeten. Seine Lehre 
fand großen Beifall bei dem Volke, und obgleich der Papst ihn
	        
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