Auf der Wanderung von der Elbe zur Donau.
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Volk freien Durchzug durch Mauringaland haben. Als nun die Lango¬
barden unschlüssig waren, wen aus ihrer Mitte sie zum Zweikampf stellen
sollten, erbot sich hierzu einer aus der Schar ihrer Knechte aus freien
Stücken und bedang sich nur aus, daß er im Falle des Sieges samt seinen
Kindern aus den Fesseln der Unfreiheit gelöst werde. Gern ward^ihm
dies zugesagt. Also zog er mutig zum Kampfe aus, erlegte den Feind
und erlangte so für die Langobarden die Erlaubnis zum Durchzug,
für sich selbst aber und die Seinen die Rechte der Freien. Die Freilassung
geschah nach altem Brauch vermittelst eines Pfeiles, den sie ihm übergaben,
indem sie dabei zur Bekräftigung der Handlung einige Worte murmelten.*)
Und während des Durchzugs durch Mauringaland enthoben die Langobarden
auf dieselbe Weise noch mehrere Knechte dem Joch der Unfreiheit und
nahmen sie unter die Freien auf, um die Zahl ihrer Streiter zu verstärken.
„Danach zogen sie weiter und gelangten nach Go land a (d. h. wohl
god Land, gutes Land, vermutlich im Odergebiet), wo sie längere Zeit
verweilten, und dann sollen sie mehrere Jahre lang die Gaue Aut Haib,
Bajinaib und Burguudaib besessen haben."
Der zweite Teil dieser seltsam klingenden Namen ist das altdeutsche
Wort eiba, welches „Gau" bedeutet und in Wettereiba (Wetterau) er¬
halten ist. Ob Anthaib mit der späteren Bezeichnung der Ostslaven „Anten",
zusammengebracht werden darf, ist sehr zweifelhaft, aber Burgundaib ist Bur-
gundergau, Bajinaib Bojergau; Teile der Burgunder waren sicher im Osten
der Elbe zurückgeblieben, ebenso Reste der altkeltischen Bojer in Nord-
bÖhmen.**) Auf die Reihenfolge der Namen bei Paulus ist nichts zu
geben; natürlich kamen die Langobarden erst in das alte Burgundergebiet,
dann nach Böhmen.
Aus alledem zieht die Wissenschaft den Wahrscheinlichkeitsschluß, daß
sich das auswandernde Volk anfangs in der heutigen Mark Brandenburg
ausbreitete, dann aber — vielleicht durch die in dichten Scharen andringenden
*) Ursprünglich wohl eine gerneingerrnanifche Sitte, die noch der Edictus des
Königs Rothari (siehe weiter unten) kennt; das langobardische Wort für Pfeil war
gaida. Dieser Pfeil, der von der Volksversammlung (später von dem König) dem
Freizulassenden als ein Symbol der vollen Freiheit dargereicht wird, deutet an, daß
der Knecht nun für den Krieg geschickt und würdig fei; denn der Krieg war ja
eigentlich nur Sache der Freien. — Es. liegt hier die seltenere Art der Freilassung
vor, durch welche die volle Freiheit, d. H. Gleichstellung mit den Freigebornen des
Volkes erlangt wird, und die außer bei den Langobarden nur noch bei den Franken
nachweislich ist. Vgl. Bd. 1, S. 65 f.
**) Und selbst wenn man sie bezweifeln wollte, so könnte recht wohl das alte
Burgunderland feinen Namen auch nach dem Abzug des ganzen Volkes behalten
haben. Noch heute haftet der Bojername ja am alten Bojerlande, noch heute führt
Bornholm (Burgundaholm) feinen Namen von einem Teil der Burgunder, der dort
einmal gesessen haben muß.