132 Buch II. Physische Geographie. Cap. V. Die Thierwelt.
Norden im Gebiet der Nilquellen am weitesten vordringen und hier die Pioniere
europäischen Einflusses sind, so haben sie bis jetzt nirgends geordnete Ver¬
hältnisse zur Folge gehabt, vielmehr pflegen Grausamkeiten aller Art gegen
die Ureinwohner jene Jagdzüge zu begleiten, so daß man mit Recht den
afrikanischen Elfenbeinhandel einen Zwillingsbruder des Sklavenhandels ge¬
nannt hat.
Viel wichtiger ist der ocea nisch e Fischfang für die EntWickelung
geographischer Kenntnisse und politischer Gestaltungen geworden. Auf dem
Fange des Herings und dem Handel damit beruhte zum Theil der Wohl-
stand der Hansa, und um das Recht des Heringsfanges an den schottischen
und englischen Küsten hat Holland, dessen merkantile Blüthe im 12ten Iahrh.
durch den Handel mit diesem Fische eingeleitet ward, schwere Kriege geführt.
Noch wichtiger ist der Stockfischsang. Seinetwegen haben skandinavische
Ansiedler die Küste Norwegens bis zum Nordcap besetzt und die lappische Ur-
bevölkerung zurückgedrängt, so daß wir hier jenseits des Polarkreises noch eine
Stadt mit einer gelehrten Schule finden, und der Stockfischhandel sührte die
deutschen Kaufleute der Hansa nach Bergen in Norwegen, wo sie um die
■Erhaltung der Privilegien ihres Comtors blutige Kämpfe geführt haben.
Bedeutsamer noch wurde der Fang dieses Thieres für Nordamerika. Wie der
Heringsfang die Schule der holländischen Seeleute und die Basis von Hol-
lands maritimer EntWickelung geworden ist, so der Stockfischfang für diejenige
Englands, ja er hat als nebensächlichen Erfolg die Verdrängung Frankreichs
von seinen nordamerikanischen Besitzungen im vorigen Jahrhundert zur Folge
gehabt. Gegenwärtig betheiligen sich Engländer, Franzosen und Nordamerikaner
am Fange des Stockfisches an den Küsten Neufundlands. Ein geringeres
«Capital setzt der W alfischfang und die Robbenschlägerei in Bewegung,
aber sür die Verknüpfung der fernsten Erdtheile mit Europa sind sie von
größerer Bedeutung. Durch sie sind die Europäer in die arktischen Regionen
geführt, zuerst die Engländer (1549) von Bristol aus; und um das Recht
des freien Fanges, den England für sich beanspruchte, sind Kriege mit Holland
geführt worden; für die EntWickelung der nordamerikanischen Marine ist der
Walfischfang, seit 1690 von der Insel Nantucket aus begonnen, der Ausgangs-
Punkt geworden. Der Werth eines Walfisches steigt bis zu 30000 JL, so daß
?ine glückliche Eampagne das Schiff bezahlt machen kann. Gegenwärtig um-
saßt das Gebiet des "Walfischfangs alle Meere der Erde, besonders aber die
Südsee. Hier sind in Südaustralien, in Neuseeland, die ersten, oft nur tem-
Porären Niederlassungen von den Walfischjägern ausgegangen, und für viele der
kleineren, einsameren Inseln sind diese „Nomaden des Meeres" die einzigen Ver-
mittler europäischer Anregungen, nicht immer in heilsamer Weise. Die öden,
thier- und pflanzenleeren Inseln des südlichen Eismeers, z. B. St. Paul und
Amsterdam, werden nur durch sie dem Gesichtskreise von Europa näher ge-
bracht. — Perlen- und Korallensisch erei sind von geringerem Einfluß auf
geographische Verhältnisse.
Cap. XL Die Menschenwelt.
§. 33. Die Ginheit des Menschengeschlechts. Wir gelangen
zum Menschen, dem Herrn und edelsten Bewohner der Erde, und
trachten zum Verständnis derjenigen Kräfte und Verhältnisse vor-
zudringen, welche ihn an jeder Stelle der Erde, zu der er gelangt,
hindernd und fördernd umgeben und so auf sein materielles Dasein
wie auf sein Gemüths- und Geistesleben mächtig einwirken.