— 98 —
Nach dem Gottesdienste blieb Brünnhild mit ihren Frauen vor
dem Münster stehen und sprach: „Hat sich Siegfried wirklich solcher
Dinge gerühmt, so geht es ihm an's Leben." Als Kriemhild her¬
austrat, sprach Brünnhild: „Stehe jetzt still und beweise mir, was
du vorhin gesagt hast!" Da sprach Kriemhild: „Hier ist der
goldene Ring, den dir Siegfried vom Finger zog; hier ist auch
der Gürtel, den dir mein Mann abgenommen hat." Da begann
Brünnhild laut zu weinen und sprach: „Ruft den König Günther
her, daß er erfahre, wie seine Schwester mich verhöhnt und be¬
schimpft hat." Der König kam, ließ Siegfried holen und fragte
ihn: „Hast du dich wirklich solcher Dinge gerühmt?" Siegfried
schwur im Ringe der Ritter, daß er Brünnhilds Ehre niemals
angetastet habe. „Habe ich dein Weib betrübt," sprach er, „so ist
mir's über die Maßen leid; verbiete aber deinem Weibe lose Reden,
und ich will dasselbe bei meinem tun. In Frieden schieden die
Männer; aber die Frauen redeten von Stund an kein Wort mehr
miteinander.
Inhalt! Wiedererzählen!
3. Wie Siegfried verraten ward.
In tiefer Trauer faß Brünnhild daheim in ihrer Kemnate;
Jammer, Haß und Wut erfüllten ihr Herz, bittere Tränen traten
oft in ihr Auge. Seitdem Brünnhild und mit ihr alle Welt es
wußte, daß sie hintergangen und betrogen sei, war nur ein Wunsch
in ihrem Herzen: Rache zu üben an Kriemhild und Sieg¬
fried. Und wie sie so saß und sann, trat Hagen herein und sah
sie weinen. Er sprach: „Warum weint meine Herrin?" Da er¬
zählte Brünnhild all ihren Gram und wünschte: „Lieber will ich
sterben als länger ohne Rache leben." Voller Zorn gelobte Hagen:
er wolle die Rache ausführen; denn wer seine Königin beleidige,
der beleidige ihn selbst und der müsse sterben. Nun kamen auch
Gernot und andere herzu, und alle stimmten für den Tod Sieg¬
frieds, nur Giselher nicht. Hagen aber ruhte nicht feit dem Tage,
bis er auch den König Günther überredet hatte; er sprach zu
ihm: „Wenn Siegfried tot ist, bist du der reichste und mächtigste
König, Niederland wird dein, und auch der Hort der Nibelungen
fällt in deine Hände." Günther wollte lange nicht einwilligen;
endlich aber sprach er seufzend: „Wie willst du die Tat voll¬
bringen?" Hagen antwortete: „Sendet falsche Boten her gen
Worms, die niemand hier zu Lande kennt; sie sollen Krieg von
unsern Feinden melden; ihr ruft dann eure Krieger her zum Kampf;
Siegfried wird sicher uns zu Hülse eilen, und das soll sein Ver¬
derben sein!" Da gab der schwache König dem bösen Rate
Hagens nach, und das Werk der Untreue nahm feinen Laus.
Inhalt! Wiedererzählen!
Gefamtüberschrist! Gesamtwiedergabe!